Stellungnahme zur Studie Bahnzentrum / Widuland

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> Zur detaillierten Beurteilung des Trassenvorschlags der Studie Bahnzentrum / Widuland

> Zur detaillierten Kritik zum Fahrplan-Vorschlag der Studie Bahnzentrum / Widuland

Zusammenfassung

Die Studie Bahnzentrum / Widuland klingt auf den ersten Blick gut, erweist sich bei näherer Betrachtung aber als fragwürdig, oberflächlich bis unrealistisch und fachlich inkompetent und durch Weglassen von Fakten irreführend.
Man kann den Deutschlandtakt, der auf Halbstundentakt beruht, nicht dadurch verbessern, dass man eine Fahrzeit von A nach B um 15 Minuten verlängert.
Man kann den Deutschlandtakt dadurch nur verschlechtern.

Positiv zu bewerten:

Positiv zu bewerten:
Die Studie anerkennt, dass die Ortsdurchfahrten Bückeburg und Wunstorf nicht ausgebaut werden können, sondern Neubauabschnitte erfordern. Auch sieht die Studie zwischen Haste und Bückeburg keinen Ausbau des Bestandes im eigentlichen Sinne vor, sondern eine Neubaustrecke neben dem Bestand (Seite 63ff. der Studie). Gleichwohl können längere Vollsperrungen der Bestandsstrecke nicht vermieden werden, worauf die Studie selbst hinweist.

Negativ zu beanstanden:
Unvollständig bis fachlich nicht haltbar
Viele Details sind unvollständig oder unzutreffend, insbesondere bei den Kosten und beim Kostenvergleich, insbesondere werden angebliche Kosteneinsparungen in Abschnitten eingerechnet (z.B. Hamm – Dortmund), die nichts mit dem Neubauprojekt zu tun haben. Die Ausgestaltung der Aus- und Neubaumaßnahmen ist teilweise oberflächlich. Der Abriss von Wohnhäusern in Dankersen wurde nicht dargestellt. Rampen für Tunnel wurden nicht seriös berechnet.

Besonders beachtlich ist, dass die Autoren die auf dieser Website wiedergegebenen Antworten und Informationen ignoriert haben. Insbesondere sind die Informationen des Gutachters sMA, die hier vor Beginn der Arbeiten der Autoren der Studie veröffentlicht waren,  der Arbeiten der  niedergelegt sind, nicht beachtet worden.

Die erheblichen Mängel im Deutschlandtakt, die mit einer Fahrzeit von 69 Minuten für Hamm – Hannover erzeugt werden, und die um 22 Minuten längere Fahrzeit gegenüber dem Deutschlandtakt für Köln / Düsseldorf – Berlin (7 Minuten statt 30 Minuten Fahrzeitverkürzung gegenüber heute für Köln – Berlin) lassen erwarten, dass die Idee der Studie keine bundesweite Mehrheit finden wird.

Eine alternative Modellrechnung, wie der Trassenvorschlag der Widuland-Studie in den Deutschlandtakt eingebunden werden könnte, finden Sie am Ende der Seite.

Fahrzeitvergleich

Fahrzeitbeschreibung

Mehr Details zum Fahrzeitvergleich hier

Bewertung der Thesen der Autoren

These 1: Eine Neubaustrecke Hannover – Bielefeld für 31 Minuten Fahrzeit ist nur im Zusammenhang mit einem Ausbau der Strecke Bielefeld – Hamm auf mindestens 250 km/h sinnvoll.
Diese These ist nicht zutreffend. Vorstellbar ist durchaus, dass der Ausbau Hamm – Bielefeld gar nicht, früher oder erst sehr viel später stattfindet. Die 5 Minuten Fahrzeitgewinn, die hier erzielt werden sollen, können auch zwischen Hannover und Wolfsburg bzw. Magdeburg hereingeholt werden. Es kommt entscheidend darauf an, dass die Kapazität zwischen Hamm und Bielefeld gesteigert wird. Ein Kostenvergleich zwischen den Alternativen dürfte durchaus sinnvoll sein.

These 2: Ein integraler Taktfahrplan ist auch mit einer um 15 Minuten längeren Fahrzeit für ICE zwischen Hamm und Hannover umsetzbar.
Diese These ist zwar an sich zutreffend, gilt aber nicht für die Nachbearbeitung des Zielfahrplan 2030+ von SMA. Der Zielfahrplan beruht auf Halbstundentakten und Stundentakten. Eine Fahrzeit von 75 statt 60 Minuten (Knotenabstand) führt zu gravierenden Taktbrüchen. Die Kommentare zu Thesen 3 und 4 zeigen dies.

These 3: Auch wenn die Reisegeschwindigkeit des ICE geringfügig sinkt, so können mit einem modifizierten Konzept deutliche Fahrplanverbesserungen erzielt werden.
Das trifft so nicht zu. Verbesserungen gegenüber dem heutigen Fahrplan erzielt die Widuland-Studie nur in Direktverbindungen.
In fast allen Umsteigeverbindungen verpufft die Investition.
Gegenüber dem Deutschlandtakt verlängert die Studie die Fahrzeit Hamm – Berlin um 22 Minuten, in anderen Verbindungen um bis zu 60 Minuten. Die Studie lässt einen Fahrplan vermissen, der die Auswirkungen der Fahrzeitverlängerung und die Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf 250 km/h darstellt.
Ohne weitere Ausbauten verlängert sich die Fahrzeit von Rhein/Ruhr nach Braunschweig – Magdeburg – Leipzig – Dresden um 30 Minuten. Dieser Konsequenz entgehen die Autoren mit einem Trick: Sie lassen den Fahrplan Hannover – Magdeburg unverändert und stellen den Anschluss mit einem TEE Paris – Warschau bzw. einem „Flixtrain“ her. Damit verstoßen die Autoren gegen Grundprinzipien des Deutschlandtakts: Im Gegensatz zu den ICE-Linien (FV 10, FV 47) sind „TEE”- und Flixtrain-Trassen Zusatzangebote, die nicht in das Grundangebot einbezogen sind, andere Taktknoten nicht bedienen, hinsichtlich der Fahrzeiten nicht mit Belgien und Frankreich abgestimmt sind, gegebenenfalls nur zu Spitzenzeiten verkehren sollen und nicht dem deutschen Tarifsystem unterliegen müssen.
Die Fahrzeit Münster – Magdeburg – Leipzig – Dresden verlängert sich gegenüber dem Deutschlandtakt um 30 Minuten, damit verpufft jeglicher Fahrzeitgewinn durch Ausbauten, da die Knoten Münster und Magdeburg nicht verbunden werden. Damit verstoßen die Autoren gegen Grundprinzipien des Deutschlandtakts. Dieser hat gerade das Ziel, Fahrzeitverkürzungen so einzupassen, dass sie zwischen allen relevanten Knoten wirksam werden.

These 4: Ein Konzept, das einseitig auf Geschwindigkeit setzt, wird der Eisenbahn nicht den
gewünschten Fahrgastzuwachs bescheren.
Die These trifft auf den Deutschlandtakt nicht zu, ihr Gebraucht ist als populistische Irreführung zurückzuweisen.
Der Deutschlandtakt setzt gerade nicht einseitig auf Fahrzeitverkürzung, sondern über die Gestaltung integraler Knoten auf die Verkürzung der Fahrzeiten aus der Region in die Region. Münster und Magdeburg sind solche Knoten, die die Anschlüsse in die gesamte Region vermitteln. Wird zwischen diesen Knoten die Verkürzung der Fahrzeit nicht wirksam, so geht ein erheblicher Teil des Sinnes des Deutschlandtaktes verloren.

These 5: Nur eine zweite Strecke Minden – Seelze mit Anbindung an den Bahnhof Minden erlaubt eine optimale Ausnutzung der Streckenkapazitäten in diesem Abschnitt.
Diese These ist nicht zutreffend. Die auf der Bestandsstrecke Bielefeld – Minden verkehrenden Fernzüge erzeugen zwischen Bielefeld und Minden Fahrplanzwänge, die nicht bestehen, wenn diese Züge die Strecke bei Bielefeld verlassen.

These 6: Für einen Kostenaufwand von unter 4 Mrd. € gegenüber voraussichtlich über 10 Mrd. € für die „300 km/h-Lösung“ kann der gesamte Korridor Hamm – Seelze inklusive der Anschlussrouten betrieblich optimiert werden.
Diese These trifft nicht zu. Diese Zahlen sind großenteils nicht belegt und unseriös dargestellt.
Der Ansatz von „10 Mrd. Euro“ ist unzutreffend. 9,1 Mrd. Euro (Baukosten-Index 2015) sind für alle Maßnahmen von Dortmund bis Berlin angesetzt (Maßnahmenliste Deutschlandtakt). Wenn man alle Maßnahmen herausrechnet, die unabhängig verwirklicht werden müssen (Dortmund – Hamm, Bahnhöfe Hamm, Hannover, Lehrte, Stendal, Rathenow u.  a.), verbleiben 7,4 Mrd. Euro für den Kernabschnitt Hamm – Seelze.
Genauso unzutreffend sind die „4 Mrd. Euro“. Ausweislich Seite 93 und 94 der Studie handelt es sich um 4,7 Mrd. Euro. Diese geringe Summe ergibt sich,
* weil das dritte Gleis Dortmund – Hamm gestrichen wurde (1,2 Mrd. Euro) und,
* weil der Bau von 48 km Neubaustrecke Minden – Seelze mit nur 1,2 Mrd. Euro berechnet wurde (25 Mio. Euro/km). Der Wert für die Neubaustrecke Hamburg – Hannover, einer reinen Flachlandstrecke, ist von der Bundesregierung höher angesetzt worden (29,1 Mio. Euro/km), hier bestehen keine komplexen Orts- und Bahnhofsdurchfahrten und Eingriffe in den Bestand.
Korrigiert man die Werte, so stehen 7,1 Mrd. Euro für die D-Takt-Planung 6 bis 7 Mrd. Euro für die Planung Bahnzentrum gegenüber.
Die Kosten der alternativen Maßnahmen sind aber noch unvollständig. Insbesondere erfordert die längere Fahrzeit Hamm – Hannover (siehe oben zu These 3) die Verkürzung der Fahrzeit Hannover – Magdeburg um den gleichen Wert. Die so erforderliche Fahrzeitverkürzung kann nur mit einer Neubaustrecke von Braunschweig bis Marienborn (40 km) erzielt werden. Nimmt man diese Kosten hinzu, so wird der Kostenvorteil zwischen Hamm und Hannover mehr als kompensiert.

These 7: Aus Sicht des Klimaschutzes kann ein effizienter Streckenausbau mit geringeren Geschwindigkeitsstandards für Hochgeschwindigkeitszüge den Ausstoß von Klimagasen um 75 % allein beim Bau senken.

Diese These ist populistisch. Sie versucht, Einzelaspekte hervorzuheben und lenkt von einer ökologischen Gesamtbewertung der komplexen Zusammenhänge ab. Einen seriösen Versuch, das komplexe Thema darzustellen,
lesen Sie hier.
Grundsätzlich ist das Herausgreifen einer einzelnen Klimawirkung aus einem komplexen Geschehen problematisch und gehört zu den Instrumenten einer unseriösen politischen Auseinandersetzung.
Die These kann hinsichtlich des Baues im Prinzip zutreffen, weil weniger Tunnel benötigt werden. Die Annahme einer Zahl „75 %“ ist aber spekulativ und nicht ausreichend unterlegt.
Der Bau einer Bahnlinie ist aber nur ein Teil der gesamten Klimabilanz des Projekts. Gegebenenfalls sind alle Umweltwirkungen zu bilanzieren. Die einfache Rechnung, dass der Energieverbrauch eines Zuges mit steigender Geschwindigkeit überproportional zunimmt, genügt nicht zu einer Beurteilung, vielmehr müssen die komplexen Wirkungen des Projekts auf den Verkehrsmarkt und damit auf den Energiebedarf bilanziert werden. Gerade der Deutschlandtakt sichert, dass der Einsatz von 300 km/h schnellen Fahrzeugen den Energieaufwand rechtfertigt bzw., systembedingt senkt.

 

Kritik zum Inhalt der Studie:

Beurteilung des Trassenvorschlags: Zu oberflächlich

Der Trassenvorschlag ist zu wenig ausgearbeitet, um bereits diskussionswürdig zu sein. Daten, die ohne großen Aufwand aus dem Internet hätten ermittelt werden können, bleiben unberücksichtigt, Eingriffe in den Bestand und in Siedlungen werden unzulänglich beschrieben. Der Kostenansatz von 1.200 Mio. Euro für „NBS Minden – Seelze für 250 km/h“ (siehe Seite 93) ist grob untertrieben und berücksichtigt nicht ausreichend die Kosten von ständig wechselnden Bauzuständen und langer Bauzeit. Zwei der drei vorgeschlagenen Tunnel benötigen Rampen, die für Güterverkehr nicht geeignet sind. Die Details sind hier erläutert.

Rückkehr zum unzulänglichen Bundesverkehrswegeplan von 2016

Mit ihrem Ansatz einer Fahrzeit Hamm – Hannover von 41 Minuten kehrt die Studie zum Bundesverkehrswegeplan von 2016 zurück. Dieser hatte mit dem „Porta-Tunnel“ eine Fahrzeitverkürzung von 8 Minuten gegenüber dem Ist-Zustand erzielen wollen. Das Projekt war mit einem Nutzen-Kosten-Faktor von 2,0 positiv bewertet worden. Wie ein Fahrplan auf dieser Basis und einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h aussieht, ist im Zielfahrplan 2030 (ohne „Plus“) anzusehen. Mit diesem Fahrplan, erstellt von SMA, wurden die Auswirkungen der Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans von 2016 dargestellt.

Auszug aus dem „Zielfahrplan 2030“: Fahrplan auf der Grundlage der Ausbauten des BVWP 2030. Quelle: SMA im Auftrag BMVI, 2017.

Detail hieraus, Auszug aus dem „Zielfahrplan 2030“: Fahrplan auf der Grundlage der Ausbauten des BVWP 2030. Quelle: SMA im Auftrag BMVI, 2017

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Da die Fahrzeitverkürzungen nur auf der Direktverbindung, nicht aber für Umsteiger wirksam wurden, wurde der Fahrplan im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums zur Optimierung an SMA beauftragt. SMA legte im Oktober 2018 den ersten Entwurf öffentlich vor. In diesem Zielfahrplan 2030+, 1. Entwurf, war als erste neue Strecke die Verbindung Rhein/Ruhr – Berlin von 250 km/h auf 300 km/h heraufgesetzt worden, weil nur diese Heraufsetzung ein schlüssiges Taktsystem zwischen Münster und Berlin bzw. Magdeburg herstellen konnte. Der Vorwurf, bei der Idee der Neubaustrecke Bielefeld – Hannover würde es sich um ein Produkt der „Schnellfahrlobby“ handeln, trifft gerade nicht zu – er ist das Ergebnis eines konsequenten integralen Taktfahrplans.
Die Entscheidung für diesen Fahrplanentwurf wurde sogar gegen den seinerzeitigen Widerstand der Führung der Deutschen Bahn AG getroffen, da der Einsatz von nur 250 km/h schnellen Zügen keinen ausreichenden Nutzen der Investitionen für Umsteiger erbringen konnte.

Auszug aus dem „Zielfahrplan 2030+, 1. Entwurf. BMVI, 2018.

Auszug aus dem „Zielfahrplan 2030+, 1. Entwurf. BMVI, 2018.

Problem des Deutschlandtakt-Zielfahrplans wird reproduziert

Der Zielfahrplan von SMA wird dahin kritisiert, dass die Ankunfts- / Abfahrtszeit in Hannover Richtung Bielefeld zur Minute 00 und 30 liegt und damit nicht den Ansprüchen des integralen Taktfahrplans genügt. Dieses Problem verschiebt die Studie um eine Viertelstunde, indem die Ankunftszeit / Abfahrtszeit auf Minute 15/45 gesetzt wird. Bei dieser Gestaltung liegt die Haltezeit um 1,5 Minuten verschoben zur integralen Haltezeit. Von einer Studie wäre zu erwarten gewesen, dass dieser Fehler beseitigt wird.

Beschränkter Blick auf die Region verzerrt das Bild und blendet Probleme aus

Wie die Studie auf Seite 49 vermerkt, sind Fahrplanänderungen außerhalb des Raums, der untersucht wird, außer Betracht geblieben. Das betrifft aber gerade den Abschnitt Wolfsburg – Berlin und die Anschlüsse in Berlin. Der Taktfahrplan von SMA ist bundesweit durchgearbeitet und optimiert. Daraus einen Teil herauszubrechen und ungeprüft Auswirkungen darüber hinaus nicht zu beschreiben und zu bewerten, ist nicht akzeptabel und verzerrt das Bild. Das zeigen die nachfolgenden Punkte.
Stattdessen begeben sich die Autoren der Studie auf Kriegsschauplätze, die mit der Neubaustrecke nicht zu verbinden sind: Stellungnahmen zur Neubaustrecke Hamburg – Hannover, Ausbau Minden – Nienburg, zum Fernbahntunnel Frankfurt, zum Bau eines dritten Gleises zwischen Dortmund und Hamm (dessen Bau zwischen DB, Unternehmen, Aufgabenträgern des Nahverkehrs völlig unstrittig ist und in der Region gefordert wird) und übernehmen ungeprüft Thesen von anderen Kritikern des Deutschlandtakts.
Auch die beigefügten Fahrpläne befassen sich völlig überflüssig mit Strecken (bis hin zu Busfahrplänen), die mit der Neubaustrecke nichts zu tun haben. Andererseits wird nicht erkannt, dass der aufgestellte Fahrplan des Intercity Köln – Dresden westlich von Dortmund überhaupt nicht fahrbar ist (siehe weiter unten).

22 Minuten länger nach Berlin als im Deutschlandtakt

Ein Fahrplan, aus dem sich die Fahrzeit Hamm – Berlin ergibt, ist der Studie nicht beigefügt. Die Studie sieht gegenüber dem Deutschlandtakt eine Verlängerung der Fahrzeit von 15 Minuten für Hamm – Hannover vor. Der Deutschlandtakt sieht aber vor, auch zwischen Wolfsburg und Berlin 300 km/h zu fahren. Dafür muss nur die Signaltechnik angepasst werden. Dadurch werden die Züge weitere 7 Minuten schneller. Das ist mit dem Konzept der Studie nicht möglich.  Daher macht die Studie die Fahrt Rhein/Ruhr also um 22 Minuten langsamer. Für Fahrgäste, die über Berlin hinaus fahren, bedeutet dieses in der Regel eine Fahrzeitverlängerung von 30 Minuten.
Mehr Details im Fahrzeitvergleich.

In Blau die veränderten Fahrzeiten der Widuland-Studie. Exemplarisch sind hier die Anschlussverluste dargestellt, die die Widuland-Studie in Berlin in Kauf nehmen will. Zum Vergrößern klicken!

Studie rettet mit Tricks den Taktfahrplan: Deutschlandtakt nicht verstanden


Zugangebot gemäß Zielfahrplan 3. Entwurf mit Erläuterungen. Zum Vergrößern klicken!

Erst im dritten Entwurf des Zielfahrplans wurden die Zugzahlen weiter vermehrt, um darzustellen, dass neben dem Grundtakt auch weitere Fernverkehrszüge in den Fahrplan eingepasst werden können. So wurden internationale Züge von Wettbewerbern der DB (Thalys) und Züge für preissensible Reisende („Flixtrain“) eingefügt. Für diese Züge besteht nicht der Anspruch, dass sie Taktknoten bedienen und dass sie an allen Tagen der Woche und von früh bis spät verkehren und auch nicht, dass durchgehende Fahrkarten ausgegeben werden. Solche Zugangebote nutzt die Studie, um darzustellen, dass der Fahrplan von Hannover nach Magdeburg und alle daran hängenden integralen Taktknoten in Sachsen-Anhalt, Sachsen und dem südlichen Brandenburg sichergestellt sei. Tatsächlich ist dies ein Trick, um der Darstellung von Anschlussverlusten in der Studie zu entgehen. Die Anschlussverluste treten ein, weil der ICE-Grundtakt in Hannover zwar um 15 Minuten verschoben werden soll, nicht aber der an den Taktknoten Magdeburg gebundene Intercity Norddeich / Köln – Leipzig – Dresden. Aufgefangen werden soll dieser Anschlussverlust durch einen Anschluss an den mit “TEE” bezeichneten Fernzug Paris – Warschau der Linie FV 19, der nur zweistündlich und nur zu Spitzenzeiten vorgesehen ist.
In der anderen Stunde soll der Intercity FR 35 von/nach Köln beschleunigt verkehren, was nicht möglich ist (siehe unten). Im Zielfahrplan ist hier der FV 92 vorgesehen, eine “Flixtrain”-Trasse. Da diese Züge weder verlässlich verkehren noch die Taktknoten Hamm (Anschluss Münster) noch Hagen (Anschluss Ruhr-Sieg) bedienen, entstehen Fahrzeitverluste von einer halben Stunde gegenüber dem Deutschlandtakt. Der in der anderen Stunde vorgesehene „Flixtrain“ (FV 92) wird durch den beschleunigten IC Dresden – Köln überplant, ohne dies darzustellen.
Mehr Details im Fahrzeitvergleich.

Hintergrund dieser Angaben ist die Datenbank www.fernbahn.de. Diese private Quelle macht den Zielfahrplan 2030+ lesbar und ist ein gutes Hilfsmittel, um Fahrpläne nachzuvollziehen. Alle im nachfolgenden Text genannten Probleme sind hier schnell aufzudecken. Allerdings sind geringfügie Fehler enthalten, so die Deutung der Fernlinie Paris – Warschau als “TEE”, die im Zielfahrplan selbst nicht belegt ist. Die zugehörige Bedienungshäufigkeit ist vom Autor der Website www.fernbahn.de selbständig interpretiert worden. Diese Daten wurden ungeprüft übernommen.

Hier ein Link zum Abfahrtsplan Hannover gemäß Zielfahrplan 2030+ in der Interpretation von fernbahn.de.

Intercity Dresden – Köln: Taktfahrplan nicht verstanden

Die Studie schlägt die Beschleunigung des Intercitys Dresden – Köln (FV 35) zwischen Hannover und Dortmund vor und zerreißt damit ab Dortmund den integralen Taktfahrplan auf der Wupper-Achse. Die Strecken sind hier so überlastet, dass der Zielfahrplan für den Deutschlandtakt die Fahrzeiten nur geringfügig gegenüber heute optimiert, aber nicht grundlegend ändert.
Zwischen Dortmund und Hannover hat dieser Zug heute wie im Deutschlandtakt einen Zeitüberschuss gegenüber der reinen Fahrzeit, der genutzt wird, die integralen Taktknoten Solingen, Hagen, Dortmund und Hannover zu bedienen und Anschlüsse herzustellen.
Die Studie nutzt diesen Zeitüberschuss, um den Zug von Hannover her zu beschleunigen. Dadurch trifft er von Hannover her 20 Minuten früher in Dortmund ein und fährt 20 Minuten später ab. Die Beschleunigung von 30 Minuten wird nicht erreicht – daher läuft die Fahrtrasse in die bereits von dem RE 4 belegte Fahrlage, der Anschluss Bremen – Dortmund – Wuppertal wird nicht aufgenommen. Der Konflikt ist nicht lösber.
Das zeigt: Man kann nicht nur ein Stück des Fahrplans optimieren und meinen, das würde dann schon irgendwie passen.


In den gelb unterlegten Bereich möchte die Widuland-Studie einen weiteren Intercity unterbringen. Die Strecken sind aber voll ausgelastet. Auszug aus dem Zielfahrplan 2030+, 3. Entwurf, Blatt NRW.

Der Nordharz wird abgehängt

Weiter wird der Nordharz vom schnellen ICE-Verkehr abgehängt. Mit dem Regionalexpress Hannover – Bad Harzburg und dem integralen Taktknoten Goslar wird der gesamte Nordharz erschlossen. Diese Zugleistung verlässt Hannover zur Minute 41. Die Anpassung auf eine Abfahrtszeit 52 würde eine Neubaustrecke erfordern. Diese wäre zwar zwischen Hildesheim und Goslar wünschenswert, um den Anschluss Frankfurt – Goslar herzustellen, gehört aber in die Kostenrechnung für den Vorschlag der Studie.

Anschluss nach Dessau gekappt

Die Intercity-Linie Hannover – Magdeburg wurde von der Studie um 4 Minuten verschoben. Damit ist der Anschluss des Express Magdeburg – Dessau – Leipzig nicht mehr erreichbar. Der Fahrplan hätte überarbeitet werden müssen.

Sprinter Ruhrgebiet – Hamburg gestrichen

Die mit der Liniennummer FV 29a eingetragene Linie als schnellste Sprinter-Verbindung Ruhrgebiet – Hamburg wird in der Studie in einen Interregio über Nienburg umgewandelt. Offenbar ist der Sinn dieses Sprinters von den Autoren der Studie nicht verstanden worden: Die Linie 29a verlagert den heute verkehrenden Sprinter Essen – Hamburg (ohne Halt über Osnabrück) auf die Neubaustrecken, um einen Halbstundentakt mit ICE und mehr Güterverkehr über Osnabrück möglich zu machen.

Politische Chancen gering

Es ist sehr bedauerlich, dass die Studie so viele fachliche Mängel aufweist. Mehr Präzision und eine Konzentration auf die eigentliche Trasse zwischen Minden und Wunstorf hätte der Sache mehr gedient. Eine präzise Herausarbeitung der Fragen an die Politik wäre hilfreicher gewesen.
Denn die hinter der Studie stehenden Anliegen sind durchaus diskussionswürdig.
Wer Geld beim Neubau sparen will, sollte zuerst darüber nachdenken, ob es wirklich notwendig ist, im Mittelgebirge Neubaustrecken für den schweren Güterverkehr zu bauen, erst recht dann, wenn die Güterzüge dort nur nachts fahren sollen. Die Mehrkosten dafür sind enorm.
Wer noch mehr Geld sparen will, muss darüber nachdenken, wo Gewerbegebiete und Wohnbauten abgerissen werden können, um die Strecke billiger zu bauen – und muss das auch politisch und rechtlich durchsetzen.
Wer den Fernverkehr nur mit 250 km/h statt 300 km/h betreiben möchte, muss nicht nur den gesamten Deutschlandtakt neu schreiben und kommt dann um Investitionen an anderer Stelle, möglicherweise in gleicher Höhe, nicht herum, sondern muss auch überlegen, ob die von der Politik geforderten Fahrzeitverkürzungen durch zusätzliche Sprinterzüge hereingeholt werden können. Zwar weist die Studie zu Recht darauf hin, dass der Energieverbrauch bei 300 km/h exponentiell ansteigt, doch rechnet man dagegen zusätzliche Sprinterzüge, wie sie die Deutsche Bahn zwischen Köln und Berlin ohne Halt bereits einsetzt, so geht die Rechnung schon nicht mehr ohne weiteres auf. Mehr erfahren Sie hier.

Widuland-Trasse im Deutschlandtakt – ein Gedankenspiel

Es ist nicht absolut undenkbar, die Widuland-Trasse auch in den Zielfahrplan des Deutschlandtakts zu integrieren.
Die notwendigen Maßnahmen:

  • Hamm – Bielefeld auf 300 km/h ausbauen
  • (Minden -) Evesen – Hannover auf 300 km/h ausbauen
  • Lehrte – Wolfsburg auf 300 km/h ausbauen
  • Wolfsburg – Berlin auf 300 km/h ausbauen

Mit diesem Ausbau wäre die Fahrzeit Hamm – Berlin um 3 Minuten länger als nach dem Deutschlandtakt-Fahrplan.

  • Hannover – Braunschweig auf 160 km/h ausbauen
  • Braunschweig – Helmstedt teilweise ausbauen
  • IC-Halt Helmstedt streichen

Damit würde der Knoten Magdeburg erreicht

  • Neubauabschnitt Hildesheim – Goslar
  • Heraufsetzung der Höchstgeschwindigkeit Braunschweig – Vienenburg

Damit würden die Taktknoten Goslar und Vienenburg erreicht.

Was dennoch bleibt

  • 8 Minuten längere Fahrzeit Bielefeld – Hannover
  • Anschlussverluste in Hannover
  • Anschlussverluste in Braunschweig
  • 8 Minuten längere Fahrzeit Bielefeld – Hamburg
  • Zweifel an der Machbarkeit aller Maßnahmen
  • Ein schlechter Kosten-Nutzen-Quotient.
  • Keine politische Überzeugungskraft.