Ist der Ausbau entlang der Bestandsstrecke eine sinnvolle Alternative?

Video: Bestandsstrecke im Deutschlandtakt? Eine vertiefte Analyse (25 Minuten)

Der Ausbau der Bestandsstrecke über Minden ist mit dem Deutschlandtakt nicht vereinbar.

Ein solcher Ausbau wird aus dem Bereich des Landkreises Schaumburg und aus der Region um Minden gefordert.
Der Ausbau der Bestandsstrecke, wie er seit 1973 im Bundesverkehrswegeplan vorgesehen war, ist noch 2010 als nicht wirtschaftlich bewertet worden. Dabei war bereits ein Neubau im Abschnitt Lindhorst – Seelze (also an Haste und Wunstorf vorbei) berücksichtigt. Die damalige Bewertung beruhte auf einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h.
Der Deutschlandtakt sieht eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h vor. Dies würde eine Fahrzeit Bielefeld – Hannover über Minden von 41 Minuten ergeben.
Die Fahrzeit von 41 Minuten genügt für den Deutschlandtakt nicht.
Die Stellungnahme zur Studie Bahnzentrum / Widuland zeigt auf, welche negativen Veränderungen eine Fahrzeit von 41 Minuten für den Deutschlandtakt hat.
Die Gründe im Überblick:

  • An anderer Stelle (Lehrte – Wolfsburg) kann in Richtung Berlin nur noch ein Fahrzeitgewinn von 3 Minuten erzielt werden. Die Fahrzeit Rhein/Ruhr – Berlin wäre also 7 Minuten länger als im Deutschlandtakt vorgesehen. Eine solche Fahrzeitverlängerung erscheint politisch nicht durchsetzbar.
  • Die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 250 km/h führt zu einer um 22 Minuten längeren Fahrzeit Rhein/Ruhr – Berlin.
  • Ausgehend von dem zu sichernden Anschluss von Münster und Hamm ist im Osten sicherzustellen, dass der Knoten Magdeburg erreicht wird. Um die Fahrzeit Hannover – Magdeburg so zu kürzen, dass der Anschluss sichergestellt wird, muss auf dem Abschnitt Hannover – Magdeburg erheblich investiert werden. Damit verschieben sich die Investitionen von einer stark genutzten Strecke auf eine schwach genutzte Strecke. Die Investitionen auf der schwach genutzten Strecke dürften aber voraussichtlich kein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis ergeben und sind daher nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz nicht finanzierbar. Die Widuland-Studie vermeidet dieses Ergebnis mit dem Trick, mehr Züge zwischen Hannover und dem Ruhrgebiet einzusetzen. Den Kommentar hierzu finden Sie hier.
  • In Hannover entsteht ein gravierender Anschlussverlust in Richtung Goslar.
  • In Berlin entstehen erhebliche Anschlussverluste, die teilweise nur mit Folgeinvestitionen, teils gar nicht aufgegangen werden können.

Diese Ergebnisse lassen sich erst erkennen, wenn man sich die Mühe macht, einen alternativen Taktfahrplan zu erstellen.

Sind die Darlegungen der DB zum Ausbau eine Drohkulisse, um eine Neubaustrecke durchzusetzen?

Nein!
Die Deutsche Bahn hat in mehreren Regionaltreffen bereits dargelegt, wie ein Ausbau der Bestandsstrecke für höhere Geschwindigkeiten aussehen würde. Diese Unterlagen finden Sie hier.
Die in den Folien dargestellten Auswirkungen auf die angrenzenden Grundstücke sind die Ergebnisse der Anwendung der geltenden Bauvorschriften, insbesondere der Sicherheitsvorschriften.

Der Ausbau im Bestand geht nicht billiger und schneller – im Gegenteil

Der Umbau einer Bestandsstrecke erfordert erhebliche Eingriffe in angrenzende Grundstücke und weitgehende Umbauten der vorhandenen Bahnhöfe. Der Grundstücksbereich, der aus historischen Planungen der DB gehört, genügt nicht, da heute größere Sicherheitsabstände gelten (Gleismittenabstand heute 4,50 Meter) und Masten für die Elektrifizierung erforderlich sind. Mehr zu den technischen Parametern lesen Sie hier.
Für die Bauphase gilt: Da der Betrieb aufrechterhalten werden muss, sind Seitenwege auf den angrenzenden Privatgrundstücken anzulegen. Während der Arbeiten ist die Geschwindigkeit auf dem Betriebsgleis herabzusetzen, was die Fahrpläne der Anschlussstrecken durcheinander bringt und für Fahrgäste längere Reisezeiten und Anschlussverbindungen verschlechtert. Abschnittsweise ist eingleisiger Betrieb erforderlich, sodass der Nahverkehr auf Busse verlagert werden muss. Für Verlegung von Gleisen und Herstellung von Anschlüssen an neue Gleisteile sind Vollsperrungen nötig. Im Baubereich sind Unterführungen zu sperren. Heutige Sicherheitsstandards treiben die Kosten erheblich. Ein vergleichbarer Ausbau der Strecke Nürnberg – Bamberg – Ebensfeld hat schon zu etwa einem Jahr Vollsperrung geführt, und abgeschlossen sind die Bauarbeiten dort noch nicht.

Seit Mitte der 1990er Jahre hat die DB begonnen, größere Ausbaumaßnahmen auch dann mit Vollsperrungen der Strecke durchzuführen, wenn ein Ausbau auch unter dem rollenden Rad möglich wäre. Mit dieser Methode wäre es möglich, binnen ein bis zwei Jahren ein solches Projekt fertigzustellen. Die Auswirkungen wären aber gravierend:

  • Vollsperrung Haste – Minden
  • Fahrzeit Rhein/Ruhr – Hannover – Berlin + 1 Stunde, Umleitung über Paderborn
  • Fahrzeitverlängerung Bielefeld – Hannover – Berlin + 1 Stunden, Umwegfahrt über Rinteln
  • Fahrzeitverlängerung Minden – Hannover + 45 Minuten. Bus-Ersatzverkehr
  • Fahrzeitverlängerung für Güterzüge um 2 bis 3 Stunden
  • Weniger oder gar kein Regionalverkehr auf den Umleitungsstrecken
  • Mehrkosten und Mindererlöse in erheblichem Umfang
  • erhebliche volkswirtschaftliche Kosten durch verlängerte Fahrzeiten

Alles das schließt den Ausbau im Bestand zwar nicht aus, lässt diese Idee aber in einem anderen Licht erscheinen.

Was wird aus dem Fernverkehrsanschluss für Minden?

Minden wird auf jeden Fall weiter durch die Intercity-Linie Köln – Dresden bedient. Alles Weitere hängt von der Ausgestaltung der Neubautrasse ab.

Lärmsanierung der Bestandsstrecke

Da auf der Bestandsstrecke weiterhin Güterverkehr stattfindet, wird die Lärmsanierung unabhängig nach den dafür aufgelegten Programmen durchgeführt, ob daneben ein drittes oder viertes Gleis errichtet wird oder nicht.

Hat das Projekt „Neubaustrecke Hannover – Minden / Porta“ nach den Bundesverkehrswegeplan 2030 noch eine Chance?

Diese Planung soll von der DB im Rahmen der Frühen Öffentlichkeitsbeteiligung überprüft werden. Ein negatives Ergebnis ist voraussehbar, eine detaillierte Begründung wird aber notwendig sein, da der Bundesverkehrswegeplan noch nicht geändert ist. 

Wenn das Neubaustrecken-Projekt politisch fallen gelassen würde, wird dann entlang der Bestandsstrecke ein drittes und viertes Gleis an der Bestandsstrecke gebaut?

Das ist sehr unwahrscheinlich.
Der Nutzen-Kosten-Quotient ist im Jahre 2010 mit unter 1,0 festgestellt worden. Das Projekt wäre nicht finanzierbar.
• Der Einsatz von 300 km/h schnellen ICE wäre nicht sinnvoll.

Was geschieht, wenn zwischen Hannover und Bielefeld nichts gebaut wird?

Seit 1973 steht die Beseitigung des Engpasses zwischen Hannover und Bielefeld im Bundesverkehrswegeplan – geschehen ist nichts. Das würde auch so bleiben. Der Finanzbedarf aus den Projekten des Deutschlandtakts ist so enorm, dass andere Projekte vorgezogen würden.

Haben Sie Fragen, die hier nicht beantwortet werden?
Schreiben Sie an frage@neubaustrecke-bielefeld-hannover.de.