Ist der Ausbau der Strecke Löhne – Hameln eine geeignete Alternative zur Neubaustrecke Bielefeld – Hannover?
Nein. Der Grund liegt wesentlich in der Belastung der Anschlussstrecken und dem unzureichenden Ausbauzustand des Knotens Hameln und der Abzweigungen südlich von Hannover. Die mit dem Streckenausbau geschaffene zusätzliche Kapazität kann in den Knoten und Anschlussstrecken nicht aufgenommen werden. Der Ausbau der Knoten und der Anschlussstrecken mit kreuzungsfreien Führungen der Schienenwege ist dem Bau einer Neubaustrecke wirtschaftlich und ökologisch nicht überlegen.
Die Bahnlinie Löhne – Hameln
diese Bahnlinie ist ein Teil der historisch wichtigen Umfahrung von Hannover. Die zu dieser Gesamtlinie gehörenden Streckenabschnitte von Wolfsburg über Braunschweig und Hildesheim bis Nordstemmen sind elektrifiziert und zweigleisig, der Abschnitt Wolfsburg – Braunschweig wird derzeit auf zwei Gleise ausgebaut. Der Abschnitt Elze – Hameln ist zur Elektrifizierung vorgesehen, soll jedoch nicht zweigleisig ausgebaut werden, sondern lediglich zwei Begegnungsabschnitte erhalten. Nur für den Abschnitt von Hameln bis Löhne gibt es derzeit keine Pläne für einen Ausbau. Lediglich der Bundesverkehrswegeplan nennt die Strecke als weiteren Bedarf.
Der Ausbau auf zwei Gleise und die Elektrifizierung dieses Streckenabschnitts sind nicht grundsätzlich ein großes Problem. Es ist zu beachten, dass die Wiederherstellung der Zweigleisigkeit und die Elektrifizierung eine Nutzungsänderung darstellt, die erfordert, dass hierfür ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden muss und sämtliche aktuellen Natur- und Lärmschutzbestimmungen eingehalten werden müssen. Insbesondere im Bereich des Kuhgebiets von Bad Oeynhausen ist insoweit mit besonderen Schwierigkeiten und Auflagen zu rechnen.
Die Kapazität der Knoten und Anschlussstrecken Richtung Hannover
Die Strecke Löhne – Hameln würde bei zweigleisigem Ausbau eine hohe Streckenkapazität zur Verfügung stellen. diese hohe Kapazität kann aber von den Knoten Hameln und den Anschlussstrecken nicht aufgenommen werden.
Der Bahnhof Hameln ist eine ebenerdige Kreuzung der Ost-West-Strecke von Löhne nach Braunschweig mit der Nord-Süd Strecke von Hannover nach Altenbeken. Die Kapazität ist vergleichbar mit einer Ampel-geregelten Kreuzung von zwei Landstraßen: Es kann immer nur in einer Richtung gefahren werden. Die Nord-Südstrecke ist nicht nur durch stündlich drei S-Bahnen von Hannover bis Bad Pyrmont bzw. Paderborn in Anspruch genommen, sondern zusätzlich vom Seehafenhinterlandverkehr insbesondere von den Häfen zwischen Bremerhaven und Wilhelmshaven, die über den Güterbahnhof Seelze in Richtung Kassel und weiter nach Süddeutschland geleitet werden.
der Knoten Hameln: niveaugleiche Kreuzung der beiden Strecken. Ein Umbau auf eine kreuzungsfreie Überführung wird sehr schwierig, da eine entsprechende Rampe deutlich länger sein muss als der Abschnitt, in dem die Gleise parallel liegen. Karte: DB Infrastruktur
Auch die Strecke in Richtung Hannover ist nicht weiter aufnahmefähig. Ab Weetzen kommen stündlich zwei S-Bahnen aus Richtung Barsinghausen hinzu, auch diese Verknüpfung ist ebenerdig. Weiter nördlich trennen sich die Strecken in Richtung des Rangierbahnhofs Seelze und Hannover-Linden. Die Güterumgehung Hannover ist hingegen Kreuzung frei ausgestaltet, sodass die S-Bahnen und der Ost-West Güterverkehr sich nicht gegenseitig behindern, Güterzüge von Hameln Richtung Lehrte ebenerdig das Gleispaar wechseln und behindern den Gegenverkehr behindern.
die Strecke zwischen Hameln und Hannover ist nördlich von Weetzen voll ausgelastet und kann ohne massive Ausbauten weitere Güterzüge aus Richtung Löhne nicht aufnehmen.
Warum wird Hameln – Elze nicht zweigleisig ausgebaut?
Die Strecke selbst würde bei zweigleisigem Ausbau eine erhebliche Kapazität bieten. Diese durch einen Ausbau geschaffene Kapazität kann aber von den Anschlussknoten und Anschlussstrecken nicht aufgenommen werden. Die Strecke mündet in Elze in die Nord-Südstrecke Hannover – Göttingen durch das Leinetal, die bis Nordstemmen mitbenutzt werden muss. Die Nord-Südstrecke ist ganz erheblich von Güterzügen des Seehafenhinterlandverkehrs, insbesondere von Hamburg, in Anspruch genommen.
Zusätzliche Kapazität für Züge aus Richtung Hameln könnte daher nur geschaffen werden, wenn der Abschnitt Elze – Nordstemmen vier Gleise ausgebaut würde einschließlich einer kreuzungsfreien Überwerfung über die Strecke im Leinetal.
Doch auch dies würde nicht genügen, um die erhöhte Kapazität nutzen zu können: Kurz hinter Nordstemmen mündet, jeweils ebenfalls ebenerdig, die Strecke von Hannover und der Abzweig von der Neubaustrecke von Göttingen in Richtung Hildesheim ein, sodass im vorhandenen Zustand auch hier die Kapazität durch die Züge des Personenverkehrs bereits ausgeschöpft ist. Darüber hinaus ist der Bahnhof Hildesheim nicht so ausgebaut, dass Güterzüge von Nordstemmen nach Braunschweig konfliktfrei durchfahren könnten. Im Ergebnis könnte die zusätzliche Kapazität des Ausbaus auf zwei Gleise Hameln – Elze nur mit umfangreichen Ausbauten einschließlich der damit verbundenen Eingriffe in Bebauung und Natur genutzt werden. In der Umkehrung heißt dies: Die vorgesehene Kapazität von zwei Güterzügen je Stunde Hameln – Elze entspricht genau der Kapazität, die ohne weitere Ausbauten auf den Anschlussstrecken noch untergebracht werden kann.
die Strecke von Hameln nach Elze kann mehr als zwei Güterzüge je Stunde nicht aufnehmen.
Umleitung bei Havarien
Am 2. Juni 2022 kam es zu einer einzigen Vollsperrung bei Minden. Grundsätzlich hätte eine elektrifizierte Strecke Löhne – Hameln verhindert, dass Bielefeld vom Fernverkehr abgehängt wird. ein Ausbau allein für den Umleitungsfall ist aber nicht wirtschaftlich und daher haushaltsrechtlich nicht zulässig.