Die Irrtümer des Memorandum Hesse

Die Memoranden von Prof. Dr. Wolfgang Hesse über die mögliche Fahrzeit Bielefeld – Hannover im Deutschlandtakt sind unzutreffend. Ursache der Fehleinschätzung sind unsaubere Festsetzungen von Fahrzeiten ohne Nachprüfung und der Glaube, an die von Hesse favorisierte Fahrzeit Hamm – Hannover könne der Zielfahrplan ohne weitere Investitionen angepasst werden.

Das Memorandum finden Sie hier.
Die entscheidende Grafik mit Fahrzeiten finden Sie hier:
Hesses Grafik zum Knoten Hannover finden Sie hier.

Wo liegt die Ursache der Fehleinschätzung der Hesse-Memoranden?

Hesse: Höchstgeschwindigkeit auf Kosten des Fahrplans limitiert:
Hesse vertritt die Auffassung. dass eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h für den Deutschlandtakt ausreichend sei. Hesse setzt also die Höchtgeschwidgkeit aus Voraussetzung und passt alle Darstellungen an diese Voraussetzung an. Da der Deutschlandtakt nicht als Ganzes überarbeitet wurde, werden die Folgen nicht sichtbar.
Gutachter SMA: Optimaler Fahrplan nur mit 300 km/h.

Die Gutachter des Deutschlandtakts haben diese Voraussetzung einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h ebenfalls zunächst zugrunde gelegt. Gerade bei der Arbeit an der Ost-West-Achse Ruhrgebiet – Berlin zeigte sich, dass das Ergebnis suboptimal ist. Mehr dazu lesen Sie hier.  Die Anwendung der Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h ist also Ergebnis eines Erkenntnisprozesses.

Was bewirkt der Fahrplan gemäß Hesse-Memorandum?

Die Realisierung des Fahrplans nach den Ideen von Hesse würde weiträumig bewährte Fahrpläne und Taktknoten zerstören.
Die Hesse-Memoranden setzt Taktknoten und Fahrzeiten für den ICE-Fernverkehr als Voraussetzung und glaubt, die Fahrpläne für Intercity und Regionalverkehr seien einfach, ohne zusätzliche Investitionen und Verluste in der Qualität des Taktfahrplans anpassbar. Hesse verzichtet vor allen darauf, die von ihm geänderten Fahrpläne bis zum Ende der Linien durchzurechnen.
Tatsächlich zerstört die Anpassung der Fahrpläne an die von Hesse gesetzten Zeiten bewährte und unverzichtbare Zuglinien und weit entfernte Taktnoten:
• Halbstundentakt Fernverkehr Köln – Hagen,
• Knoten Dortmund für IC Köln – Leipzig – Dresden,
• Knoten Oldenburg für IC Norddeich – Leipzig – Dresden,
• Knoten Leipzig,
Der Zielfahrplan Deutschlandtakt hat hingegen erreicht, dass bewährte Strukturen erhalten bleiben.
Um annähernd gleiche Fahrzeiten herzustellen, die der Zielfahrplan Deutschlandtakt bietet, sind folgende Investitionen notwendig:
• Zweigleisiger Ausbau Brackwede – Halle (Westfalen) zur Gewährleistung des Anschlusses Rhein/Ruhr – Halle (Westfalen),
Alternative: Verlängerung der Fahrzeit um 30 Minuten.
• Ausbau Lehrte – Wolfsburg für 300 km/h (heute 200 km/h),
Alternative: Fahrzeitverlängerung Hannover – Berlin 5 Minuten, über Berlin hinaus 30 Minuten
• Ausbau Lehrte – Braunschweig für 200 km/h (heute 140 km/h für Fahrzeitverkürzung 5 Minuten,
Alternative: Verlust von Anschlüssen in Magdeburg, Halle, Leipzig.
• Abschnittsweise viergleisiger Ausbau Lehrte – Braunschweig zur Gewährleistung der Verbindung von Hannover zum Nullknoten Braunschweig,
Alternative: Überholung in Peine mit Fahrzeitverlängerung 7 Minuten.
• Ausbau Braunschweig – Magdeburg auf 40 km Länge von heute 160 km/h auf 200 km/h zur Gewährleistung des Intercity-Halts Helmstedt.
Alternative: Kein IC-Halt für Helmstedt, Fahrzeitverlängerung 40 bis 50 Minuten von und nach Helmstedt.

Die Fahrpläne Hesse und Deutschlandtakt im Vergleich

Die Erläuterungen zu diesem Vergleich der Fahrpläne

1) Der Fahrplan wird von Hesse nicht explizit genannt und ist dem Zielfahrplan 2030+ entnommen.
2) Die Übergangszeit (Zeit zum Umsteigen) in Hamm ist zwar ausreichend (7 Minuten), aber ein sinnvoller Puffer von 2 Minuten zum Ausgleich kleiner Verspätungen entfällt.
3) Der gesamte Zuglauf des ICE im Abschnitt Köln – Hamm verschiebt sich um 2 Minuten (früher aus Richtung Köln, später in Richtung Köln). Ohne weitere Ausbauten reicht die Verschiebung bis/ab Köln. Die Folgen lassen sich nur durch Neubearbeitung des Fahrplans erkennen.
Für den RE Köln – Hagen – Hamm ist die gleiche Verschiebung notwendig. Zwar könnte diese Verbindung im Fahrplanlage gemäß Deutschlandtakt bleiben, würde aber Anschluss von Schwerte, Holzwickede und Unna in Richtung Berlin und umgekehrt verlieren, da die notwendige Umsteigezeit von 7 Minuten unterschritten wird. Wenn sich herausstellt, dass diese Verschiebung nicht möglich ist, müsste der Halt Bönen aufgegeben werden.
Die Führung des Express Ruhrgebiet – Hamm – Hamburg müsste ebenfalls um 2 Minuten beschleunigt werden, da der Zug nach Hamburg im Blockabstand von 3 Minuten vor dem ICE nach Berlin fahren soll.
4) In Bielefeld gehen die Anschlüsse nach Halle (Westf.) und Herford bis Minden verloren, da die Umsteigezeit nicht ausreicht. Der Anschluss nach Halle (Westf.) kann nur mit einem zweigleisigen Ausbau der heute eingleisigen Bahnlinie Brackwede – Quelle hergestellt werden.
5) Die Weiterfahrt des ICE nach Berlin muss genauso um 11 Minuten verlegt werden. Damit gehen in Berlin Hbf Anschlüsse nach Stettin, Warschau, Potsdam – Brandenburg, Stralsund, Dresden – Prag – Wien/Budapest verloren. Die Anschluss-Verluste lassen sich nur teilweise mit dem Ausbau Lehrte – Wolfsburg auf 300 km/h vermeiden.
Der Hesse-Fahrplan des ICE erlaubt den schlanken Anschluss des RE Bielefeld / Rheine mit den größeren Zwischenhalten nach Berlin nicht. Die mit 14 Minuten vorgesehene Übergangszeit wächst auf 27 Minuten.
Die Anschlüsse von Hamm zu den RE nach Celle, Uelzen und Lüneburg sowie Elze, Kreiensen und Northeim werden um wenige Minuten versäumt. Die Fahrzeit verlängert sich um eine halbe Stunde. Für den weitergehenden Vorschlag, auch den Nord-Süd-ICE-Verkehr um eine Viertelstunde zu verlegen, müsste der gesamte komplexe Fahrplan für Südniedersachsen neu konzipiert werden. Die heute funktionierenden Nullknoten Elze, Kreiensen, Northeim müssten aufgelöst werden, sodass dieser Weg indiskutabel ist.
6) Der gesamte Fahrplan der IC-Linien Norddeich – Hannover – Leipzig/Dresden muss neu konzipiert werden. Gemäß Zielfahrplan Deutschlandtakt ist die Ankunft in Hannover auf den Knoten 30 ausgerichtet, um die Verbindung von Norddeich und Bremen nach München und Berlin herzustellen.Hesse verlegt die Ankunftszeit von Bremen auf Minute 40, während die Abfahrtszeit nach München bei Minute 32 bleibt. Damit verlängert sich die Fahrzeit Bremen – München gegenüber dem Deutschlandtakt um rund 40 Minuten.
Die Verlegung der Ankunftszeit in Hannover von Minute 20 (Deutschlandtakt) auf Minute 40 (Hesse) ist ein tiefgreifender Eingriff in das (heute schon geltende) Taktsystem in Nordwest-Niedersachsen. Was daraus folgt, erklärt Hesse nicht.
Auch die Fahrzeit des IC Köln – Dortmund – Hannover verlegt Hesse in der Ankunft Hannover um 17 Minuten.Damit wird der Halbstundentakt Minden – Hannover aufgehoben, der im Deutschlandtakt vorgesehen ist. Während der Deutschlandtakt mit der Neubaustrecke Bielefeld – Hannover diesen Zug ohne Überholung führen kann, muss der IC im Hesse-Fahrplan eine Überholung hinnehmen, die in Herford eine Standzeit von 20 Minuten erfordert. Anders kann nicht kompensiert werden, dass dieser in den Halbstundentakt Köln – Hagen und in den Knoten Dortmund fest eingebunden ist. Es entsteht also zwischen Dortmund und Hannover eine Verlängerung der Fahrzeit, die den Fahrgästen nicht erklärbar ist, während für die Kürzung der Fahrzeit von Hannover nach Magdeburg investiert werden muss (siehe Anmerkung 8). Der Attraktivität dieser relativ schwach ausgelasteten Linie dient das nicht.
7). Der RE Hannover – Wolfsburg (Hannover ab Minute 19 und 49 kann nicht geführt werden, da er das gleiche Gleis nutzt. Der gesamte Fahrplan Hannover – Wolfsburg ist neu zu erstellen.
Der RE Hannover – Braunschweig mit Durchbindung von/nach Bremen kann nicht wie vorgesehen geführt werden, nur ein viergleisiger Ausbau kann eine Überholung im Raum Peine vermeiden. Dabei ist zu beachten, dass der Bahnhof Peine total umgebaut werden muss, wenn eine Überholung am Bahnsteig in Richtung Hannover möglich sein soll. Die Fahrzeitverlängerung einer Überholung wirkt sich bis Bremen aus. Alternativ müsste hingenommen werden, dass der Knoten Braunschweig nicht zur Minute 25/55 (Deutschlandtakt), sondern schon zur Minute 12/42 erreicht. Für alle Verbindungen über Braunschweig hinaus erhöht sich die Fahrzeit dann um 13 Minuten.
8) Die Fahrzeit des IC Hannover – Braunschweig muss um 5 Minuten gekürzt werden (heute 32 Minuten, laut Hesse 26 oder 27 Minuten). Zwar kann die Höchstgeschwindigkeit von 140 auf 160 km/h heraufgesetzt werden, aber das bringt nur 2 Minuten Fahrzeitgewinn. Die weiteren 3 Minuten Fahrzeitgewinn, die erzielt werden müssten, nennt Hesse nicht. Dafür wäre eine Heraufsetzung der Geschwindigkeit auf 200 km/h erforderlich. Dafür müssten alle Kurven von einem Radius von heute maximal 1.100 Meter auf 1.700 Meter heraufgesetzt werden, was praktisch einem Neubau der Strecke entspräche. Die Nutzung von Neigetechnik verbietet sich auf dieser Strecke, da hier viele schwere Güterzüge verkehren, für die die größere Überhöhung für Neigetechnik ein Problem wäre.
9) Durch die spätere Ankunft in Braunschweig wird der Anschluss nach Schöppenstedt versäumt.
10) Die Kürzung der Fahrzeit von 46 Minuten (Deutschlandtakt) auf 43 Minuten (Hesse) erfordert, dass Helmstedt nicht bedient werden kann.
11) Nach neuesten Fahrplandaten werden in Magdeburg auch mit der späteren Ankunft alle Anschlüsse erreicht.
12) Hesse gibt die Ankunftszeit für Halle mit Minute 0 an. Hier zeigt sich die Oberflächlichkeit seiner Arbeit: Zur Minute 01 fährt der Anschluss-ICE nach Erfurt ab. Tatsächlich hätte die Ankunftszeit mit Minute 54 angegeben werden müssen, was gerade noch ausreicht, um den Anschluss herzustellen.
13) Die Ankunftszeiten für Leipzig hat Hesse nicht angegeben. Da der Deutschlandtakt auf den Knoten zur Minute 15 und 45 ausgerichtet ist, wäre der gesamte Fahrplan für Sachsen neu zu rechnen.

DDetails zu den Unterschiede der Arbeitsweise von Hesse und Deutschlandtakt-Gutachter

Hesse setzt als Erstes die Fahrzeit Hamm – Hannover, erkennt dabei aber das Taktsystem für Hamm und westlich davon an. Die Vorfestlegung, dass Hochgeschwindigkeitsverkehr nur 250 km/h erfordern solle, führt zu der Fahrzeitvorgabe für Hamm – Hannover. Für Hannover und weiter nach Osten und Nordwesten werden die Fahrpläne hingebogen oder gar nicht berechnet. Damit werden die entstehenden Mängel nicht sichtbar.
Die Gutachter des Deutschlandtakts haben ebenfalls Hamm und die Knoten westlich davon vorausgesetzt. Sie haben die Fahrpläne im Übrigen von den Ankern Mannheim und Erfurt aus entwickelt. Dabei wurden folgende Grundsätze befolgt:
• Gewachsene Taktknoten erhalten (Magdeburg, Halle),
• Gewachsene Verbindungen erhalten (Bremen – München / Berlin mit der gleichen Fernverkehrsleistung),
• Überholungen von IC durch ICE zu vermeiden
• Investitionen dort zu konzentrieren, wo die größten Fahrgastmengen transportiert werden (Hamm – Hannover, Hannover – Hamburg) und auf geringer genutzten Strecken zu vermeiden (Bremen – Osnabrück – Münster, Hannover – Magdeburg).

Hinweis: Diese Darstellung will nicht besagen, dass andere Ideen von Hesse nicht diskussionswürdig seien. Mancher Ansatz von Hesse ist durchaus diskussionswürdig, beispielsweise auch die Stärkung des Knotens Harburg und die Entlastung des Hamburger Hauptbahnhofs von Umsteigern.