Anforderungen des Deutschlandtakts an die Fahrzeit zwischen Bielefeld und Hannover

Die vom Zielfahrplan 2030+ vorgesehene Fahrzeit von 31 Minuten für Hannover – Bielefeld ist das Ergebnis einer sehr genauen Gesamtplanung. Die Möglichkeiten, davon abzuweichen, sind sehr begrenzt und beschränken sich auf etwa 5 Minuten. Bereits für diese 5 Minuten werden an anderer Stelle im Netz Investitionen nötig oder können nur mit Verzicht auf Zughalte kompensiert werden.  Mehr als 36 Minuten Fahrzeit zwischen Hannover und Bielefeld ergeben gravierende Anschlussverluste oder erfordern sehr tiefe Eingriffe in den Deutschlandtakt.

Eine Studie von „Bahnzentrum Widuland“ behauptet, dass eine Fahrzeit von 41 Minuten mit dem Deutschlandtakt kompatibel sei. Das ist nicht zutreffend. Was davon zu halten ist, lesen Sie hier.

Der integrale Taktfahrplan setzt voraus:

  • Die Taktsymmetrie zur Minute 0: Alle Züge treffen den Zug aus der Gegenrichtung zur Minute 0,
  • Die Knotenzeiten in den Bahnhöfen, also der Zeitpunkt, in dem die Züge im Bahnhof sind, zur Minute und abgeleitet zur Minute 30 und 15 und 45,
  • Die Beachtung der Umsteigezeiten, damit Fahrgäste von einem Zug zum anderen umsteigen können,
  • Die Wichtigkeit der Anschlussverbindungen.

Daraus ergeben sich die sogenannten „Kantenzeiten“, also die Zeit zwischen zwei Bahnhöfen, die erreicht werden muss, damit Anschlüsse funktionieren. Diese „Kantenzeiten“ enthalten bereits die Zeiten, die die Fahrgäste zum Umsteigen benötigen oder die aus besonderen betrieblichen oder geografischen Gründen erforderlich sind. Für Magdeburg ist beispielsweise zu berücksichtigen, dass der Intercity hier wenden muss und dafür mehr als die Mindesthaltezeit benötigt. Für Hannover ist besonders die Zugfolgezeit zu beachten, wenn Züge aus der gleichen Richtung einfahren und dafür nur ein Gleis zur Verfügung steht.

Diese Skizze zeigt den Zusammenhang:

Skizze der Taktknoten

Die Relevanz der Knoten für den Fernverkehr Berlin – Rhein/Ruhr

Hamm Hauptbahnhof

  • Hamm Hbf ist ein sehr relevanter Knoten, der bereits heute besteht. Hier sind Anschlüsse nach Münster, Soest und Unna – Hagen – Köln zu erreichen. Daher muss ein Fernverkehrszug aus Richtung Hannover vor der Minute 0 / 30 eintreffen und nach der Minute 0 / 30 in Richtung Osten abfahren.
  • Die Fahrzeiten insbesondere in Richtung Wuppertal – Köln sind dabei als Fixpunkt zugrunde zu legen, da der Streckenabschnitt Wuppertal – Köln und der Kölner Hauptbahnhof keine Veränderung zulässt. Daher hat der Zielfahrplan 2030+ die Fahrzeiten des heutigen ICE-Flügels Hamm – Wuppertal – Köln und die Fahrzeit des RE 7 zwischen Hamm und Köln weitgehend unverändert übernommen.
  • Die Fahrzeiten der schnellen RE-Anschlüsse Richtung Münster sind durch den Knoten Münster zur Minute 0 und 30 vorbestimmt. Bei einer Fahrzeit von 23 Minuten ist keine weitergehende Anpassung an geänderte ICE-Fahrzeiten möglich. Durch Auslassen von Halten gegenüber dem heutigen Haltekonzept kann die Verbindung beider Knoten sichergestellt werden.
  • Zur Minute 15 und 45 ergibt sich in Hamm ein Anschluss zu und unter den Regionalbahnen mit Halt auf allen Stationen.
  • Die Fahrzeiten in Richtung Paderborn – Kassel ist durch die Anschlussknoten Lippstadt (Minute 30), Altenbeken (Minute 0), Warburg (Ca. Minute 30) und Kassel-Wilhelmshöhe vorbestimmt. Eine relevante Fahrzeitverkürzung ist nicht möglich, da die Strecke bereits mit 160 km/h befahren wird.

Hannover Hbf

  • Hannover ist ein relevanter Knoten, wobei die Verknüpfung mit der Fernverkehrslinie Dresden – Leipzig – Magdeburg – Braunschweig – Bremen – Norddeich eine entscheidende Rolle spielt. Eine Abweichung von der idealen Knotenzeit 0 / 30 ist nur insoweit akzeptabel, als die Verknüpfung beider Linien nicht gefährdet wird.
  • Die Linie nach Magdeburg – heute Intercity – ist im Knoten Magdeburg gebunden. Magdeburg ist als Vollknoten zur Minute 0 ausgestaltet, es besteht Anschluss in 5 Richtungen. Die Fahrzeit in Richtung Hannover wird über die Knotenbildung hinaus dadurch belastet, dass die Linie nach Halle weitergeht und dafür in Magdeburg wenden muss. Da die Fahrstraßen von Richtung und Gegenrichtung sich kreuzen, wird zusätzlich Zeit benötigt. Die notwendige Fahrzeitverschiebung wird derzeit durch einen zweistündlichen Halt in Helmstedt bzw. Köthen erreicht.
  • Da ICE und IC das gleiche Gleis zwischen Hannover und Lehrte nutzen müssen, können sie nicht gleichzeitig aus Hannover ausfahren bzw. einfahren.
  • Die Verknüpfungswirkung im Fernverkehr wird jedoch überschätzt. Lediglich der Anschluss von Berlin und Frankfurt / München nach Bremen ist relevant. Alle anderen Umsteigebeziehungen sind wenig relevant, da über alle vier möglichen Umsteigebeziehungen  tangential Verbindungen bestehen: Berlin – Hamburg, Berlin – Hildesheim – Frankfurt, Dortmund – Hamburg über Osnabrück und die Herrenhausen-Kurve, Hamm – Kassel über Paderborn.
  • Nach dem Zielfahrplan ist auch der Anschluss an die Regionalexpress-Linie nach/von Celle, Uelzen und Lüneburg von Bedeutung. Der Fahrplan dieser Linie gemäß Zielfahrplan ist allerdings spekulativ, da der Ausbauzustand dieser Linie politisch umstritten ist und nicht feststeht.
  • Von Bedeutung ist weiter der Regionalexpress von/nach Elze, Kreiensen, Northeim und Göttingen. Alle vorgenannten Bahnhöfe sind Knotenbahnhöfe, die die Fahrzeit vorgeben. Nach dem Zielfahrplan 2030+ wird der Anschluss von/nach Bielefeld – Rhein/Ruhr um eine Minute verpasst. Durch Aufgabe des Halts in Sarstedt oder Nordstemmen kann der Anschluss aber hergestellt werden.
  • Von Bedeutung für den Knoten Hannover sind auch die Regionallinien nach Bad Harzburg und Soltau. Diese sind in den Knoten Goslar und Soltau gebunden. Die Fahrzeit nach Hannover beträgt etwa 70 Minuten.

Braunschweig Hbf

  • Braunschweig ist im Regionalverkehr ein Knoten zur Minute 0. Im Fernverkehr besteht lediglich eine Überlagerung mit der Linie Frankfurt – Kassel – Göttingen, für die die Umsteigeverbindung nach Magdeburg sichergestellt werden muss.

Bielefeld Hbf

  • Bielefeld ist ein anzustrebender Knoten, erlaubt aber aufgrund der Struktur der Anschlusslinien für den ICE eine Abweichung von wenigen Minuten von der Idealfahrzeit. Maßgeblich dafür sind die als „Kreuzungsbahnhöfe“ für die Zugbegegnung maßgeblichen Bahnhöfe auf den eingleisigen Strecken:
    Oerlinghausen (Fahrzeit 12 bis 15 Min.) in Richtung Lage – Lemgo / Detmold,
    Sennestadt (Fahrzeit 15 Min.) in Richtung Paderborn
    Quelle (Fahrzeit 14 Min.) in Richtung Halle – Osnabrück.
    Der NWL prüft derzeit in einem Gutachten, ob im Raum Bielefeld die Regionalbahnen zu einem S-Bahn-Netz weiterentwickelt werden können. Dieses ist als Zielfahrplan NRW 2040 veröffentlicht worden. Die vorgenannten Bedingungen der Infrastruktur werden sich dadurch aber nicht grundlegend verändern.

Wolfsburg

ist kein relevanter Knoten, da eine Verknüpfung mit anderen Linien nur eine geringe Nachfrage hat. Abweichungen von einigen Minuten sind akzeptabel.

Berlin

ist kein Knoten, der die Ankunfts- und Abfahrtszeit vorbestimmen sollte, da das Zielpotenzial der Stadt selbst größer ist als das der Umsteiger auf Linien mit geringer Taktdichte. Abweichungen von einigen Minuten sind akzeptabel. Der Zielfahrplan 2030+ sieht aber vor, dass der ICE von Köln / Düsseldorf zur Idealzeit ankommt und abfährt.

Magdeburg Hbf

ist heute ein Knoten zur Minute 0. Dieser ist durch eine Intercity-Linie mit dem Knoten 30 in Hannover so verknüpft, dass ein Anschluss Rhein/Ruhr – Leipzig hergestellt wird. Der Knoten Magdeburg wieder um ist mit den Knoten Brandenburg (RE), Leipzig via Dessau (RE), Halberstadt (RE) und Stendal (RB). Es bestehen weitere Abhängigkeiten.

Fazit und Antwort auf Kritik

Die Fahrzeit zwischen Münster und Magdeburg ist als Ziel des integralen Takts sicherzustellen.
Der Knotenabstand zwischen Magdeburg und Münster beträgt gemäß Zielfahrplan 180 Minuten (heute 210 Minuten).
Davon werden benötigt:

  • 3 bis 5 Minuten in Magdeburg für die Vermittlung der Anschlüsse. Die Umsteigezeit beträgt 7 Minuten, davon muss der IC diese 3 bis 5 Minuten aufbringen.
  • 80 Minuten für die Fahrzeit Magdeburg – Hannover, eine Optimierung um wenige Minuten ist mit vergleichsweise geringem Aufwand möglich
  • Mindestens 6 Minuten von der Ankunft des IC in Hannover bis zur Abfahrt des ICE, da die Züge aus Berlin und Magdeburg ab Lehrte das gleiche Gleis benutzen müssen,
  • 7 Minuten für die Vermittlung der Anschlüsse in Hamm,
  • Mindestens 20 Minuten für die Fahrzeit Hamm – Münster ohne Halt,
  • 3 Minuten für die Vermittlung der Anschlüsse in Münster. Die Umsteigezeit beträgt 7 Minuten, davon muss der RE diese 3 Minuten aufbringen.
  • Es verbleiben maximal 54 bis etwa 60 Minuten für die Fahrt von Hannover bis Hamm mit Zwischenhalt in Bielefeld. Wird diese Fahrzeit überschritten, so kann eine Beschleunigung der Verbindung Magdeburg <> Münster nicht erreicht werden.

Der dritte Entwurf des Zielfahrplan 2030+ setzt 54 Minuten für die Fahrt zwischen Hamm und Hannover an. Damit wird das