Was bedeutet die Herrenhausen-Kurve?

Mit einer Kurve im Stadtgebiet Hannover soll die schnellste Verbindung von NRW nach Hamburg hergestellt werden, indem die Neubaustrecken Bielefeld – Hannover und Hannover – Hamburg verbunden werden sollen. Wir nennen diese Kurve hier „Herrenhausen-Kurve“. Diese Planung ist grundsätzlich sinnvoll, im Detail aber korrekturbedürftig.

In anderen Quellen wird die Kurve auch „Leinhausen“ oder „Ledeburg“ zugeordnet.

Was bedeutet die „Herrenhausen-Kurve“?

In den 3. Entwurf des Deutschlandtakts, der am 30. Juni 2020 von Bundesverkehrsminister Scheuer veröffentlicht wurde, hat die Bundesregierung eine Verbindungskurve nahe Hannover-Herrenhausen aufgenommen, um die schnellste Verbindung Ruhrgebiet – Hamburg möglich zu machen. Im Entwurf für den Fernverkehr ist zweistündlich ein Express aufgenommen worden, der ohne Halt von Hamm bis Hamburg fahren und diese Strecke in 1:53 h zurücklegen soll und als FV 29a bezeichnet ist. Damit das möglich ist, muss eine Gleisverbindung in Hannover am ehemaligen Güterbahnhof Herrenhausen gebaut werden.
Diese Kurve ist in die Maßnahmenliste zum Deutschlandtakt mit folgenden Angaben aufgenommen worden:
Ziel:
Herstellung einer attraktiven Fahrzeit zwischen Hamburg und NRW durch Verbinden der ABS/NBS Hamm – Bielefeld – Hannover und ABS/NBS Hannover – Hamburg.
Beschreibung der Maßnahme:
Eingleisige Verbindungskurve Hannover-Burg von Strecke Bielefeld – Hannover (niveaugleiche Ausfädelung) zur Strecke Hannover – Hamburg (niveaufreie mittige Einbindung)
Kostenschätzung: 209,1 Mio. Euro.

Besteht schon ein Planungsauftrag?

Nein, denn weder die Definition der Neubaustrecke Hannover – Bielefeld noch die Definition der Neubaustrecke Hannover – Hamburg lässt es zu, diese Kurvenverbindungen zu planen. Wie alle anderen Projekte des Deutschlandtakts ist die Änderung des Bundesverkehrswegeplans und des Bundesschienenwegausbaugesetzes erforderlich.

Ist die „Herrenhausen-Kurve“ planerisch machbar und zukunftsfähig dimensioniert?

Machbarkeit:
Ja. Die notwendigen Baumaßnahmen sind fast ausschließlich auf Bahngelände durchzuführen:
Brücke: Der überbrückte Bereich enthält nur geringwertige gewerbliche Nutzungen und steht mindestens zum Teil noch in Eigennutzung durch die DB. mit einem Kurvenradius von 300 m ist eine Geschwindigkeit von 80 km/h realisierbar, wie es die Skizze unten zeigt.
Rampe: Die Rampe in Mittellage der Ferngleise in Richtung Langenhagen ist ebenfalls unter Einhaltung der für Hochgeschwindigkeitszüge geltenden Parameter (Steigung bis 35 Promille) machbar: auf einer Länge von 500 m grenzt an den vorhandenen Gleiskörper ein Grünstreifen, auf den das Richtungsgleis Hamburg verlegt werden kann, um die Rampe in Mittellage zu errichtem. Diese Grünstreifen endet jedoch an der Gretelriede, sodass die Rampe mit erheblicher Steigung ausgeführt werden muss, wenn Eingriffe in angrenzende Wohn- und Gewerbegrundstücke vermieden werden sollen.
Absenkung S-Bahn: Die Gleise der S-Bahn Hannover – Seelze liegen nördlich der Ferngleise, von denen aus die Kurvenverbindung zu errichten ist. Damit die S-Bahn Gleise kreuzungsfrei überquert werden können, müssen diese abgesenkt werden, was unter Einhaltung der Steigungsparameter für reine S-Bahn-Strecken möglich ist.

Herrenhausen-Kurve Lageskizze

Diese Skizze zeigt die minimal ausgelegte Kurve. Kartengrundlage DB Netz AG / OpenStreetMap.


Im Zwickel zwischen den Bahnlinien liegt der Leinhäuser Weg. Links und rechts davon befinden sich ungenutzte oder geringwertig genutzte Flächen, die weitgehend der DB gehören. Blick in Richtung Osten. Die Kurve würde rechts nach Bielefeld und links nach Hamburg verlaufen.

Zukunftsfähigkeit:
Bedingt. Zwar erscheint die Verbindung NRW – Hamburg mit einem Zug ihre Richtung und 2 Stunden deutlich unterdimensioniert, tiefergehende Analysen haben aber ergeben, dass sowohl die Verdichtung auf Stundentakt fahrplantechnisch möglich ist als auch alternative Fahrplangestaltungen. Das zu kreuzende Streckengleis Hannover – Bielefeld/Bremen liegt bei einer Auslastung von etwa 12 Zügen je Stunde, sodass Trassen für abzweigende Züge in Gegenrichtung auch in anderer Fahrplanlage möglich erscheinen. Der Gestaltung der Details sollte eine betriebstechnische Untersuchung vorangehen.

Ist es sinnvoll, diese Kurve für den Güterverkehr auszulegen? NEIN!

Die Maßnahmenliste sieht vor, diese Kurve für den Güterverkehr tauglich zu gestalten. Das erfordert eine Rampe von rund 1.500 Meter Länge auf dem Ast nach Langenhagen.  Eine solche Gestaltung ist aus mehreren Gründen nicht sinnvoll:
* Eine lange Rampe erfordert erhebliche Eingriffe in die Bausubstanz im Bereich Der S-Bahn-Station Hannover-Ledeburg, beginnend bei der Unterführung Gretelriede.
* Güterzüge bedeuten eine unnötige Lärmbelastung im gesamten Innenstadtbereich. Das ist weder sinnvoll noch notwendig.
* Für Güterzüge in dieser Relation steht die Strecke Bielefeld – Minden – Nienburg – Verden – Rotenburg – Buchholz zum Rangierbahnhof Maschen zur Verfügung, vom Rangierbahnhof Seelze aus der Weg über Wunstorf – Nienburg – Verden – Rotenburg – Buchholz zum Rangierbahnhof Maschen. Bei Sperrung dieser Strecke kann über Bremen oder Lehrte – Uelzen umgeleitet werden. Es ist weder eine Verbesserung der Kapazität für den Güterverkehr noch eine markante Fahrzeitverkürzung ersichtlich.
* Die Verbindung des Gleisanschlusses des VW-Betriebes Stöcken mit dem Rangierbahnhof Seelze ist so oder so nicht möglich: Dieses Anschlussgleis mündet nördlich des S-Bahn-Haltepunkts Ledeburg in die Güter- und S-Bahn-Gleise. Erst südlich des Haltepunkts kann eine Weichenverbindung geschaffen werden, die auf die Ferngleise führt. Für Gleiswechsel und Rampe stehen von dort nur 600 bis 800 m zur Verfügung, damit wäre die Rampe zu steil, um Güterzügen dienen zu können.

Welche Vorteile hat die Kurve für die Verbindung NRW – Hamburg?

Die Fahrzeit vom Ruhrgebiet nach Hamburg wird verkürzt. Trotz kürzerer Fahrzeit zwischen Essen und Hamburg können die Städte Bochum, Dortmund, Hamm und Bielefeld mit kürzester Fahrzeit verbunden werden.

BahnhofFahrplan 2022Zielfahrplan
Sprinter2030+
Essen Hbf7:04 Uhr7.21 Uhr
Bochum Hbfohne7.32 Uhe
Dortmund HbfZwischen-7.44hr
Hamm Hbfhalt8.03 Uhr
Bielefeld Hbf8.24 Uhr*
Hamburg Hbf9:50 Uhr9:59 Uhr

* Zum Halt Bielefeld siehe weiter unten.

Könnte FV 29a stündlich geführt werden?

Ja. Für den Abschnitt Hannover – Hamburg ist dies durch einen Bildfahrplan belegt. Für den Abschnitt Hamm – Hannover konnten in einer Studie Fahrplankonflikte, die nicht lösbar sind, nicht festgestellt werden.

Welche Vorteile hat diese Kurve für Niedersachsen?

Die Strecke über Bremen – Osnabrück wird von schnellen Zügen entlastet, die nicht halten und an Bremen sogar vorbeifahren. Dies erhöht die Kapazität für Regional- und Güterverkehr.
Weitere umfangreiche Bauarbeiten für kurze Neubauabschnitte im Raum Osnabrück werden erspart.
Über einen Zwischenhalt der Sprinterlinie in Langenhagen kann durchaus nachgedacht werden.

Muss der Fernzug FV 29a in Bielefeld durchfahren?

Nein. Eine detaillierte Untersuchung hat ergeben, dass im Fahrplan zwischen Hamm und Hamburg eine Fahrzeitreserve enthalten ist, die die Einrichtung des Zwischenhaltes in Bielefeld zulässt. Entscheidend ist aber, dass in Bielefeld zu dem maßgeblichen Zeitpunkt zwei Bahnsteige für Fernverkehrszüge frei sind, damit eine Zugfolge von 3 Minuten trotz Zwischenhalt eingehalten werden kann. Diese Gestaltung erscheint fahrplantechnisch möglich.

Bietet diese Kurve noch mehr Möglichkeiten?

Ja. Die Kurve könnte auch von Zügen befahren werden, die aus Richtung Bielefeld kommen und direkt zum Flughafenbahnhof Hannover fahren sollen. Die Fahrzeit von Bielefeld nach Hannover würde bei 45 Minuten liegen. Dafür müssten Weichen eingebaut werden, mit denen die Züge auf die S-Bahn-Gleise wechseln können. Ob das so möglich ist, bedarf einer fahrplantechnischen Prüfung. Die Fahrzeit würde von Bielefeld zum Flughafen Hannover 45 Minuten betragen.
Diese Option ist für Ostwestfalen-Lippe besonders interessant, weil der Regionalflughafen Paderborn/Lippstadt nicht nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht erreichbar ist, sondern auch dauerhaft von der Region subventioniert werden muss.

Karte Flughafen-Shuttle

Diese Skizze zeigt die Verbindungskurve und den Fahrweg für einen Flughafen-Express Bielefeld – Flughafen Hannover. Kartengrundlage OpenStreetMap.

Dürfte ein Flughafen-Express Bielefeld – Flughafen Hannover subventioniert werden?

Grundsätzlich ja, denn die Fahrzeit übersteigt nicht eine Stunde. Mach allen deutschen und EU-Bestimmungen kann der Zug rechtlich als Nahverkehr angesehen werden. Zwischenhalte an Regionalbahnhöfen könnten diese Einordnung unterstreichen.

Haben Sie Fragen, die hier nicht beantwortet werden?
Schreiben Sie an frage@neubaustrecke-bielefeld-hannover.de.