Beschleunigungsgesetz verabschiedet

Am 20.10.2023 hat der Bundestag ein Beschleunigungsgesetz beschlossen. Damit bekennt sich der Deutsche Bundestag eindeutig zum Deutschlandtakt. Für die Neubaustrecken Bielefeld – Hannover und Hannover – Hamburg sind das grundsätzlich positive Nachrichten: Der Deutschlandtakt wird ausdrücklich bestätigt. Die vorgegebenen Fahrzeiten werden grundsätzlich maßgeblich bleiben. Die Neubaustrecke Hamburg – Hannover erhält eine Alleinstellung, die Neubaustrecke Bielefeld – Hannover wird in den Kontext der Achse Dortmund – Berlin integriert.

Am 24. November hat der Bundesrat das Gesetz gebilligt. Damit kann das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft treten.

Der Titel des Gesetzes:
Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/1187 über die Straffung von Maßnahmen zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes.

Was ist dran an der Behauptung, das Gesetz enthalte keine Vorfestlegung für die Fahrzeit und die Höchstgeschwindigkeit Hannover – Bielefeld? Fast nichts!

Die Wahrheit: Das Gesetz enthält keine Vorgabe. Solche Vorgaben stehen nie im Gesetz. Aber die Begründung des Gesetzes sagt eindeutig, dass die in das Gesetz übernommenen Projekte durch den Zielfahrplan Deutschlandtakt abgeleitet worden sind und damit die Leitlinie für die Umsetzung des Projektes sind. Diese Leitlinie darf durch die Bundesregierung verlassen werden, wenn sich im Rahmen der Ausplanung die Notwendigkeit zu Abweichungen ergibt – so steht es ausdrücklich in der Begründung. Die Entschließung des Bundestages, die gleichzeitig mit dem Gesetz verabschiedet wurde, wiederholt diese Sichtweise: Im ersten Satz wird betont, dass das Gesetz keine Vorfestlegung enthalte, und im zweiten wird betont, dass die zu erreichende Fahrzeit  wesentlich für die Realisierung ist. So können einerseits die örtlichen Abgeordneten ihr Gesicht wahren, weil sie erfolgreich verhindert haben, dass die Zielfahrzeit nicht im Gesetz steht, und andererseits kann die Bundesregierung nach wie vor die Zielfahrzeit von 31 Minuten als Leitlinie vorgeben und muss erst davon abweichen, wenn die Planung die 31 Minuten nicht hergibt.
Die Bundesregierung hat also die Rückendeckung für ihr Vorgehen, den Ausbau der Bestandsstrecke zunächst nicht weiter zu prüfen.

Der wesentliche Inhalt, soweit es die Schiene betrifft:

  • Das Gesetz stellt fest, dass der Bau oder die Änderung von Bundesschienenwegen im überragenden öffentlichen Interesse liegt, wenn diese Projekte in die Liste der fest disponierten Vorhaben oder in den vordringlichen Bedarf eingestellt sind,
  • Diese Liste wird neu gefasst. Mehr dazu weiter unten.
  • Projekte des weiteren Bedarfs, für die ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis festgestellt wird, rücken in den vordringlichen Bedarf auf.
  • Für Verkehrsprojekte, die zum Kernnetz der Transeuropäischen Netze (TEN) gehören, wird erstmals eine einheitliche Genehmigungsfrist von vier Jahren eingeführt. Wird die Genehmigung nicht binnen dieser Frist erteilt, gilt der Plan als genehmigt. Damit kommt die Bundesregierung einer Vorgabe der Europäischen Union nach. Da die Neubaustrecken Hamburg – Hannover und Hannover – Bielefeld zum TEN-V-Netz gehören, gilt diese Bestimmung auch hier.
  • Das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz wurde aufgehoben.

Eindeutiges Bekenntnis zum Deutschlandtakt

Gleichzeitig mit dem Gesetz wurde auch eine Entschließung des Bundestages angenommen, die ein eindeutiges Bekenntnis zum Deutschlandtakt enthält und gleichzeitig einen eindeutigen Kontrapunkt gegenüber der Haltung der Landesregierung Niedersachsens: Die Bundesregierung wird ausdrücklich beauftragt, den regionalen Nutzen von Neubaustrecken einzubeziehen.

Den Volltext der Entschließung finden Sie ab Seite 27, beginnend mit Nr. 9, in der Bundestagsdrucksache 20/89/

Zugang zu den Materialien

Die Feststellung des Inhalts durch den Laien ist kaum möglich, da schon das Gesetz ein Änderungsgesetz ist und das Änderungsgesetz nochmals durch einen Änderungsbeschluss geändert wurde. Übersichtlich werden die Neuregelungen erst verfügbar, wenn die neue Fassung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und des Bundesschienenwegeausbaugesetzes im Bundesgesetzblatt und im Internet veröffentlicht werden.
Der ursprüngliche Gesetzesentwurf ist hier nachzulesen.
Die Änderung des Entwurfs ist hier nachzulesen.
Einen Blick in die parlamentarische Beratung erlaubt diese Seite.

Bundesrat wird das Gesetz billigen

Am 24. November behandelt der Bundesrat das Beschleunigungsgesetz, das am 20.10.2023 im Bundestag beschlossen wurde.
Der Verkehrsausschuss des Bundesrates hat die Annahme ohne Einschränkungen empfohlen:
Bundesrat Drucksache 547/1/23

Diese Vorlage enthält weiter eine Entschließung des Bundesrates, die auf Mängel hinweisen will.

Die neue Maßnahmenliste Schiene

Die Maßnahmenliste zum Bundesschienenwegeausbaugesetz wurde völlig neu gefasst und geordnet. Viele der „neuen Vorhaben“ wurden zu 11 Projektbündeln zusammengefasst. Diese Projektbündel beruhen weitgehend auf dem 3. Entwurf des Zielfahrplans des Deutschlandtakts. Eine Erläuterung, wie die bisherigen Projekte zugeordnet wurden, ist ab Seite 82 der Drucksache 20/6879 zu entnehmen.

Maßnahmenliste Neubaustrecke Hannover – Hamburg:

Lfd. Nr. 2: Projektbündel 2: ABS/NBS Hannover – Hamburg

Bewertung:
Der Begriff „Alpha E“ ist verschwunden, die Vorhaben, die im „Alpha E“ und im „optimierten Alpha E“ immer zusammen genannt wurden, sind nun zum größeren Teil im Projektbündel 3 enthalten, das vor allem Projekte für den Güterverkehr betrifft. Ein anderer Teil ist unter lfd. Nr. 1 des potenziellen Bedarfs zu finden. Damit erhält die Neubaustrecke Hamburg – Hannover eine Alleinstellung. Die neue Zuordnung ist als endgültige Abkehr von allen Vorschlägen zu verstehen, die das Dialogforum Schiene Nord gemacht hat.

Details:
Auf Seite 83 der Bundestagsdrucksache 0/68 ist eine Auflistung der Maßnahmen zu finden, die mit dem Projektbündel 2 verbunden sein sollen. Diese hat aber keinen Gesetzescharakter und kann sich im Planungsfortschritt auch anders darstellen.

Maßnahmenliste Neubaustrecke Bielefeld – Hannover:

Lfd. Nr. 8. Projektbündel 8: ABS/NBS Dortmund – Hamm, ABS/NBS Hannover – Bielefeld – Hamm, ABS Berlin – Hannover.

Bewertung:
Hier sind die Vorbehalte von Abgeordneten aus Ostwestfalen-Lippe und Schaumburg, die zur Aus- und Neubaustrecke Bielefeld – Hannover als Anmerkung beigefügt waren, ersatzlos entfallen. Damit kann nun auch der Planungsauftrag für den Gesamtkorridor Hamm – Berlin erteilt werden. Weiter ist die Bündelung gesetzliche Voraussetzung dafür, dass die vergleichsweise teure Neubaustrecke Hannover – Bielefeld zusammen mit den weitaus günstigeren Projekten der anderen Streckenabschnitte hinsichtlich Kosten und Nutzen zusammengerechnet werden kann. Es wird den Haushaltspolitikern umso schwerer fallen, ein Einzelstück aus dem Gesamtprojekt herauszubrechen. Zwar kann dies hinsichtlich der Neubaustrecke Hannover – Bielefeld eine Verzögerung der parlamentarischen Befassung bedeuten, aber die Chance deutlich verbessern, denn die Bundesregierung wird die teure Neubaustrecke wohl nicht vorab dem Parlament allein vorlegen, sondern erst als Gesamtpaket. Und: Mit der Bündelung der Strecken wird auch der Weg geebnet, die Fahrzeitverkürzung, die zwischen Hannover und Wolfsburg noch nicht ausgeschöpft wurde, kostensparend zwischen Hamm und Hannover einzusetzen.

Details:
Ab Seite 89 der Bundestagsdrucksache 0/68 ist eine Auflistung der Maßnahmen zu finden, die mit dem Projektbündel 2 verbunden sein sollen. Diese hat aber keinen Gesetzescharakter und kann sich im Planungsfortschritt auch anders darstellen. Aus diesen Details ergibt sich auch, dass die Verbindungskurve Hamburg – Bielefeld zwischen den beiden Neubaustrecken diesem Projektbündel 8 zugeordnet wurde. Weiter ist beachtlich, dass sich diese Projektbeschreibung sehr nah an die Maßnahmenliste zum Abschlussbericht des Deutschlandtakts aus dem Jahr 2022 anlehnt. Neuere Entwicklungen wie etwa der vollständig viergleisige Ausbau der Strecke Dortmund – Hamm, den der Zielfahrplan für NRW vorsieht, sind nicht berücksichtigt.

Die „31 Minuten“ stehen fest

Auch wenn einige Politiker darauf Wert legen, erreicht zu haben, dass im Gesetz keine Fahrzeit und keine Höchstgeschwindigkeit vorgegeben sei, so ist das Augenwischerei. Solche Angaben haben noch nie im Gesetz gestanden, sie sind Gegenstand des Bundesverkehrswegeplans, und dieser ist ein Regierungsprogramm und wird allein von der Bundesregierung verantwortet. Der Gesetzgeber könnte das ändern, hat es aber nicht getan. Die Bezugnahme auf den Deutschlandtakt, die im Gesetz wie in der Begründung tragend ist, und die Aussage, dass der Ausbau auf einem Fahrplan basiert, ist das tragende und damit auch rechtlich relevante Argument. Da bislang kein anderer Fahrplan vorliegt und die Bundesregierung auch nicht beabsichtigt, diesen zu ändern, ist der gegenwärtig vorhandene Zielfahrplan maßgeblich, und dieser enthält die „31 Minuten!“.
Bestätigt wird diese Auffassung durch ein Schreiben des verkehrspolitischen Sprechers der FDP, Bernd Reuther vom 26. Oktober 2023. Hierin wird ausgeführt, dass zu prüfen sei, ob Neigetechnik und neue Signaltechnik höhere Kapazitäten auf der Bestandsstrecke ermöglichen würden. Dieses Vorhaben ist aussichtslos. Mehr dazu hier.

 

Kommentar zum Gesetz:

 

Die Blockadehaltung der lokalen SPD-Abgeordneten aus dem Heidekreis, dem Schaumburger Land und Ostwestfalen-Lippe gegen die Neubauprojekte hat sich nicht durchsetzen können. Im Gegenteil: So manches Argument, das bisher verwendet wurde, wird nach dem Gesetzestext nur noch schwer zu gebrauchen sein. Auch in der Entschließung, die von dem SPD-Abgeordneten Udo Schiefner, Vorsitzender des Verkehrsausschusses, gezeichnet ist, findet sich kein Hinweis auf den Widerstand gegen die Neubaustrecken.
Aussagen über die Finanzierung sind mit dem Beschleunigungsgesetz nicht verbunden. Gleichzeitig ist aber die Entscheidung gefallen, die Lkw-Maut zu erhöhen und das Geld für Schienenprojekte zu verwenden, sodass ab 2030 erweiterte Mittel auch für den Neu- und Ausbau zur Verfügung stehen können. Die zentrale Stellung der Finanzpolitiker bleibt aber bestehen. Allein die Tatsache, dass die Projektliste weit mehr Projekte enthält, als in absehbarer Zeit finanziert werden kann, zeigt, wie schlecht es um die Zukunft der Bahn-Infrastruktur bestellt ist. Andererseits: Dass der Kern des Deutschlandtakts ein Wunschtraum bleiben muss, davon hat sich das Gesetz ein Stück weit entfernt. Erstmals erhält die Schiene einen Planungsvorrat, den sie noch nie vorher hatte. Nur dieser Planungsvorrat kann den Druck erhöhen, mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Bisher ist das nur für den Straßenbau der Fall gewesen. Die Begründung des Gesetzes verweist ausdrücklich darauf, dass für den Bau die jährliche Entscheidung über die Finanzmittel maßgeblich ist. Wer keine fertig genehmigten Pläne hat, kann im nächsten Jahr nichts ausgeben, und so kam die Schiene immer zu kurz.

Eine Bewertung der Allianz pro Schiene finden Sie hier.