Hier erklären wir die Grundlagen, mit denen die Trassierung einer Neubaustrecke zwischen Bielefeld und Hannover vorgenommen werden muss.
Die Anforderungen ergeben sich
- aus den Bedingungen, die der Deutschlandtakt in der Fassung des dritten Entwurfs des Zielfahrplans 2030+ stellt,
- aus den geltenden technischen Spezifikationen für das Eisenbahnwesen,
- aus dem Planungsauftrag der Bundesregierung,
- und aus unternehmensinternen Anweisung zur Gestaltung der Infrastruktur.
Wir fassen diese schwierige Materie hier in lesbarer Form zusammen und nennen sie insoweit, als die für die Planung, die die Bürger tangieren, relevant sind. Die Informationen der DB enthalten häufig verklausulierte Hinweise, die schwer verständlich, meistens aber für den Bürger nicht relevant sind.
Fahrzeit – im Grundsatz technisch-geografisch bedingt, im Detail ein Politikum
Als Zielfahrzeit ist im Zielfahrplan 2030+ zwischen Hannover und Bielefeld eine Fahrzeit von 31 Minuten für Hochgeschwindigkeitszüge angegeben. Für langsamere Züge (FV 92, 230 km/h) ist eine Fahrzeit von 36 Minuten zwischen Hannover und Bielefeld angegeben.
Grundsätzlich beruht der Deutschlandtakt auf der Überlegung, dass im Reisezugverkehr ermg Anschlüsse in Knotenbahnhöfen hergestellt werden soollen, umd damit auf den Fakten von Geografie, Zeit, Raum und Geschwindigkeit. In welchem Ausmaß diese Fakten zu guten Ergebnissen führen soll, ist aber eine politische Frage. Das System des Deutschlandtakts lässt allerdings eine längere Fahrzeit für Hochgeschwindigkeitszüge von bis zu 5 Minuten zu, wie hier nachzulesen ist. erfordert aber kompensierende Ausbaumaßnahmen östlich von Hannover. Werden diese 5 Minuten überschritten, so ist das Ziel entweder nicht erreichbar oder erfordert unwirtschaftliche Investitionen.
Die Fahrzeit Hannover – Osnabrück wird ohne Zwischenhalt mit 61 Minuten für 300 km/h angegeben, die Fahrzeit Hannover – Minden mit 26 Minuten für 160 km/h. Diese Fahrzeit ist nur zu erreichen, wenn die Züge einen Abschnitt der Neubaustrecke mitbenutzen können, der etwa der Länge Stadthagen – Seelze entspricht. Eine weitere Fahrzeitverkürzung auf 45 Minuten (300 km/h-Fahrzeuge, ohne Zwischenhalt) bzw. 52 Minuten (230 km/h-Fahrzeuge, 2 Zwischenhalte) kann mit einer Verknüpfung der Neubaustrecke mit dem Bestand im Bereich Löhne / Bad Oeynhausen möglich werden.
Komplexe Berechnungen von Fahrzeiten
Auf der Grundlage von Höchstgeschwindigkeit, Beschleunigungswerten, Kurvenradien und Fahrzeitzuschlägen (um Verzögerungen zu kompensieren) ergeben erst komplexe Berechnungen die erreichbare Fahrzeit. Dabei sind der Ausbauzustand der Einfädelungen in die Bahnhöfe und der Bestandsstrecke von Seelze bis Hannover, die Anfahr- und Bremsbeschleunigung und weitere technische Details zu berücksichtigen. Solche Details sind in den Berechnungsprogrammen hinterlegt, die für die Erstellung des Zielfahrplans 2030+ angewendet wurden.
Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung
Als Höchstgeschwindigkeit sind 300 km/h angegeben. Diese Höchstgeschwindigkeit ist als feste Vorgabe anzusehen, da diese Auslegung der Züge auf dem gesamten Laufweg benötigt wird, um die Bedingungen des Deutschlandtakts einzuhalten. Die Fahrzeugleistung, die dafür benötigt wird, ist den Werten der ICE-Baureihe ICE 3 entnommen, der einzigen derzeit im Einsatz befindlichen Baureihe mit dieser Höchstgeschwindigkeit.
Für diese Baureihe kann aus verfügbaren Unterlagen abgeschätzt werden:
Die Höchstgeschwindigkeit 300 km/h wird aus dem Stand nach etwa 15 km erreicht. Die Bremsung muss etwa 5 km vor dem Halt eingeleitet werden.
Vergleichsdaten
Die Höchstgeschwindigkeit 200 km/h wird aus dem Stand nach etwa 5 km erreicht. Die Bremsung muss etwa 2 km vor dem Halt eingeleitet werden.
Dies bedeutet für die Trassierung: Nur auf etwa 3 Kilometer am Anfang und Ende, bezogen auf den Halt, können niedrigere Kurvenradien verwendet werden. Wird – wie in Seelze – auf eine Bestandsstrecke mit 200 km/h eingeschwenkt, dann ist der Abschnitt auf die Ausfädelung der Gleise beschränkt, danach ist der Mindestradius von 4.300 Meter einzuhalten.
Für die Fahrzeit bedeutet dies: Von einer mit 300 km/h befahrbaren Strecke von 90 km ist also nur ein Teil von 70 km mit Höchstgeschwindigkeit befahrbar. Dennoch ergibt sich ein Fahrzeitvorteil von 300 km/h gegenüber 200 km/h, bezogen auf 90 km Strecke, von rechnerisch um 7 Minuten. Dies ist aber nur eine grobe Abschätzung, Daten sollten nur unter Beachtung konkreter Betriebsverhältnisse errechnet werden.
Kurvenradien – abhängig von Fahrzeit, Höchstgeschwindigkeit und Nutzung
Für die Neubaustrecke Hannover – Bielefeld gilt derzeit ein Radius von 4300 Meter als Planungsprämisse.
Die Kurvenradien leiten sich von der Höchstgeschwindigkeit ab. Dafür gilt keine unmittelbare technische Spezifikation. Vielmehr ist der Zusammenhang umgekehrt: Die Radien bestimmen die Höchstgeschwindigkeit.
Ein weiterer Einflussfaktor ist die zulässige Überhöhung. Die Überhöhung bezeichnet den Höhenunterschied zwischen dem äußeren und inneren Gleis in einer Kurve. Dieser Höhenunterschied gleicht die Fliehkräfte aus. Für den schweren Güterverkehr soll die Überhöhung 100 mm nicht übersteigen, da diese Züge nicht schneller als 120 km/h fahren, damit die Züge durch Schräglage nicht „nach innen“ fallen. Eine größere Überhöhung dient nur dem schnellen Personenverkehr.
Für die Planung neuer Hochgeschwindigkeitsstrecken ist vorzugeben, dass die Höchstgeschwindigkeit ausgefahren werden soll. Für eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h sind als Entwurfsrichtlinien
* für reinen Personenverkehr Radien von 3.400 Metern,
* für Personenverkehr und Güterverkehr Radien von 4300 Metern
zugrunde zu legen.
Als optimaler Radius für Personenverkehr ()300 km/h) und Güterverkehr gilt ein Radien von 5300 Metern.
Maßgeblich ist die Begrenzung der Querbeschleunigung. Aufgrund der geringen Beschleunigungs- und Bremswerte im obersten Bereich ist anzustreben, dass die Höchstgeschwindigkeit durchgehalten werden kann.
Für 250 km/h Höchstgeschwindigkeit wird von der DB ein Kurvenradius von 2850 m zugrunde gelegt, wie aus veröffentlichten Informationen zum Brennerzulauf hervorgeht.
Steigungen – politisch vorgegeben und technisch bedingt
Welche Steigungen zu berücksichtigen sind, hängt zunächst von der politischen Vorgabe ab, ob Güterverkehr stattfinden soll.
Die Bundesregierung hat die Nutzung für Güterverkehr vorgegeben. Damit darf die Steigung 12,5 Promille nicht übersteigen. Dieser Wert wird für Mittelgebirgsstrecken und ist auch für die Schnellfahrstrecke Hannover – Würzburg, hat aber bereits für die Anhängelast Konsequenzen: Nicht jeder Zug darf die mögliche Länge von 740 m nutzen, schon gar nicht die angestrebte Länge von 1000 m.
Da es sich im weiteren Verlauf um eine Flachlandstrecke handelt, gibt die DB für die Strecke Bielefeld – Hannover vor, dass eine Steigung von 8 Promille zu erreichen ist. Nur diese geringe Steigung sichert einen problemlosen Betrieb auch schwerer und langer (1000 Meter) Güterzüge. Damit können nur schwerste Züge (Erzzüge) die Strecke nicht mit maximler nZuglänge nutzen.
Soweit die Strecke nur für Hochgeschwindigkeitsverkehr gebaut werden sollte, greifen die technischen Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 1299/2014 der Kommission vom 18. November 2014 über die technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems Infrastruktur des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union“ (Quelle): Die Steigung bezogen auf 10 km Streckenlänge darf nicht mehr als 25 Promille betragen, für kürzere bis zu 6 Kilometer Länge darf die maximale Steigung 35 Promille nicht übersteigen.
Breite des Planums – technische Vorgabe
Das Planum ist die eisenbahntechnisch notwendige Breite der Strecke. Die Breite hängt vom Gleismittenabstand und der Geschwindigkeit ab. Für Hochgeschwindigkeitsstrecken gilt ein Gleismittenabstand von 4,50 Meter.
Zweigleisige Neubaustrecke
Zusammen mit der Breite von zwei Zügen und dem notwendigen Seitenabstand beträgt die Breite des Planums weniger als 20 Meter.
Andere Aussagen sind polemisch überzogen. Die Trasse muss breiter sein, wo die Strecke auf Dämmen und in Einschnitten verläuft oder wo sie sich in zwei getrennte Tunnelröhren verteilt. Wo Lärmschutz notwendig wird, sind die Flächen für die Lärmschutzwände und die erforderlichen Seitenwege (Schutz- und Fluchtwege) hinzuzurechnen.
Im Wald Ist beidseits ein Streifen von Baumeuchs freizuhalten, der der Höhe der Bäume entspricht, damit diese, etwa bei Sturm, nicht ins Gleis fallen.
Seitenstreifenm Böschungen und ähnliche Flächen sind weder versiegelt noch tot, sondern in aller Regel Schutzräume für seltene Tier- und Pflanzenarten. Zwar werden Böschungen von Baumwuchs freigehalten, sind aber – wie Lichtungen und Raine Lebensräume, die anders als der heutige Wald und erst recht anders als die heutigen Ackerflächen eine sehr hohe Vielfalt an Pflanzen und Tieren beherbergen. Anders als an Autobahnen fällt an Eisenbahnlinien kein Abgas und kein Gummiabrieb an, sondern lediglich Metallabrieb, der auch natürlich gegenwärtig ist.
Die Breite einer bestehenden Neubaustrecke können Sie sowohl in den Luftaufnahmen von Google Maps wie auf tim-online selbst nachmessen.
Wir zeigen hier einen Abschnitt der Neubaustrecke Köln – Frankfurt südlich von Siegburg (Quelle: tim-online).
Das Planum ist breiter und umfasst die seitlichen Böschungen und die Anlagen zur Ableitung von Regenwasser. Wie ein Planum im Bauzustand aussieht, können Sie sich gegenwärtig bei Google Maps ansehen. Dort ist im Luftbild die in Bau befindliche Strecke Stuttgart – Ulm zu sehen. Geben Sie in das Suchfeld „Merklingen“ ein, damit Sie die Trasse rasch finden.
Viergleisige Strecken
Eine viergleisige Strecke für den Hochgeschwindigkeitsverkehr ist mit 33 Meter Trassenbreite anzusetzen. Diese Breite schließt die Errichtung von Fahrleitungsmasten in der Mitte, Lärmschutzwände und Schutz- und Fluchtwege an der Seite ein und gilt insbesondere innerhalb durchfahrender Bebauung. Der Raum für Lärmschutz an der Seite kommt hinzu. Die heute zwischen Bielefeld und Minden vorhandenen Breite beträgt nur um 20 bis 22 Meter und wird nur bis zu der heute zulässigen Geschwindigkeit von 160 km/h zulässig sein.<
Beim Ausbau von Bestandsstrecken auf 4 Gleise, wie zwischen Lindhorst und Echtorf vorgesehen, erfordert der Neubau bei laufendem Betrieb zusätzliche Abstände, sodass die Trasse 42 Meter breit wird,. Mehr dazu hier.
Tunnel
Für Hochgeschwindigkeit ist von einer Höhe der Tunnelröhre von 10 Metern auszugehen, sodass die Sohle 25 Meter unter der Oberfläche liegen soll.
Tunnel benötigen eine Überdeckung von mindestens 15 Metern über der Tunnelröhre, um in bergmännischer Bauart mit modernen Tunnelbohrmaschinen erstellt zu werden. Ungünstige Geologie kann eine höhere Überdeckung erfordern. Ist die Überdeckung geringer, muss der Tunnel in offener Bauweise errichtet und mit einem Deckel versehen werden. In Ausnahmefällen ist auch anderes Vorgehen möglich, beispielsweise Vereisung. Die Havarie von Rastatt zeigt aber, wie riskant solche Bauart ist.
Aus Sicherheitsgründen soll ein Tunnel eine durchgehende Steigung von 4 Promille haben, damit ein Zug ohne Antrieb aus dem Tunnel rollen kann. Senken und Kuppen im Tunnel sind zu vermeiden. Das bedeutt: Bei einem 10 km langen Tunnel muss ein Portal 40 Meter höher liegen als das andere.
Betriebliche Flexibilität
Eine interne Weisung der DB Netz AG legt seit dem 1. Januar 2021 Grundsätze für die Herstellung größerer betrieblicher Flexibilität fest. Vorher galt seit der Ära Mehdorn, dass Anlagen (Weichen, Überholgleise usw.), die fahrplanmäßig nicht benötigt werden, wegrationalisiert werden.
Für Schnellfahrstrecken gilt nunmehr, dass Überleitstellen auf das Gegengleis alle 10 Kilometer und Überholgleise (Überholbahnhöfe) alle 20 Kilometer anzulegen sind. Die Breite entspricht dann den Werten für eine viergleisige Strecke. Diese Überholstationen können an der Seite mit Bahnsteigen versehen werden.
Die Überholbahnhöfe dürfen ein Gefälle von maximal 2 Promille haben, damit stehende Züge nicht entrollen. Überholbahnhöfe sollen nicht in Tunneln liegen.
Haben Sie Fragen, die hier nicht beantwortet werden?
Schreiben Sie an frage@neubaustrecke-bielefeld-hannover.de.