Die nachfolgend erörterte Diskussion über Auslegung des Zielfahrplans 2030+ ist durch die aktuelle Entwicklung Stand Januar 2021 nicht mehr relevant. Die Bundesregierung hat den Auftrag zur Planung an die DB erteilt. Die DB wird ihre Planung mit einem „leeren Blatt“ beginnen. Mehr auf der Aktuell-Seite.
Die verfügbaren Unterlagen
Aus dem Fahrplanblatt SPNV Nord des Zielfahrplans 2030+ im ersten und zweiten Entwurf ist eine Zeichnung ersichtlich, die als Festlegung verstanden werden kann, dass die Neubaustrecke zwischen Hannover und Bielefeld durch Stadthagen führen soll. Eine entsprechende Zeichnung findet sich auch im 3. Entwurf des Zielfahrplans 2030+.
Weiter enthält die Präsentation zum Deutschlandtakt vom 30.6. 2020 auf Seite 28 einen interessanten Hinweis. Darüber hinaus stehen dem Autor nicht veröffentlichte Begleitunterlagen zum 2. Entwurf des Zielfahrplans sowie weitere Korrespondenzen und nicht öffentliche Unterlagen zur Verfügung, um die Frage zu beantworten.
Die Zeichnungen des Zielfahrplans
Diese Festlegung sah in der am 7. Mai 2019 veröffentlichten Fassung so aus, dass die Altstrecke mit der Neubaustrecke in Stadthagen verknüpft sein sollte:
Auszug aus der am 7. Mai 2019 veröffentlichten Fassung, Dateiname schienengipfel-netzgrafik-nord.pdf
In den folgenden Tagen wurde eine überarbeitete Fassung im Internet veröffentlicht mit diesem Inhalt:
Auszug aus der nach dem 16. Mai 2019 veröffentlichten Fassung, Dateiname: netzgrafik-fernverkehr-nord-gutachten-2.pdf
Der 3. Entwurf vom 30.6.2020 enthält die grundsätzlich gleiche Darstellung mit der Einzeichnung von Bückeburg.
Eine substanzielle Änderung der Aussagen ist damit nicht verbunden.
Was sagt die Präsentation vom 30.6.2020?
Die Präsentation zum 3. Entwurf vom 30.6.2020 enthält auf Seite 28 eine Übersicht über die Infrastrukturmaßnahmen. Darin wird genannt:
ABS/NBS Dortmund – Seelze inkl. 3. Gleis Dortmund – Hamm, Ausbau Knoten Hamm, Ausbau Hamm – Bielefeld für 300 km/h, Ertüchtigung der Güterbahn Hamm – Herford für den Regionalverkehr und NBS Bielefeld – Seelze für 300 km/h, Ausbau Wolfsburg – Berlin (300 km/h)
Damit ist unmissverständlich klar, dass die im Bundesverkehrswegeplan 2030 enthaltene Trasse ab Porta (Porta-Tunnel) nicht Grundlage des Zielfahrplans ist. Denn die Ertüchtigung der sog. Gütergleise reicht nicht bis Porta, sondern nur bis Herford. Sinnvoll ist das nur, wenn die Hochgeschwindigkeitszüge die Bestandsstrecke zwischen Bielefeld und Herford verlassen.
Was sagen unveröffentlichte Papiere aus?
Unveröffentlichte Entwürfe von Erläuterungen zum Zielfahrplan 2030+ ergeben ein widersprüchliches Bild. Einerseits wird darauf hingewiesen, dass eine Vorfestlegung der Trassenführung zwischen Seelze und Bielefeld nicht erfolge. Andererseits wird aber darauf hingewiesen, dass die Fahrzeit von Hannover nach Minden so gekürzt werden solle, dass der Knoten zur vollen Stunde in Minden erreicht werden soll.
In einem Schreiben vom 11. Juni 2020 an den Webmaster dieser Webseite teilt MdB Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär und Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr, ausdrücklich mit, dass es keine Vorfestlegung zur Trasse einer Neubaustrecke zwischen Hannover und Bielefeld gibt und sich die Grundlagen erst aus dem Abschluss der Arbeiten für den Deutschlandtakt ergeben.
Aus dem Text:
„Daran anknüpfend möchte ich betonen, dass mit der DB Netz AG als Vorhabenträger die Planung des Vorhabens erst dann vereinbart wer¬den kann, wenn die erforderlichen Grundlagen aus dem Deutschlandtakt vorliegen.
Belastbare Aussagen zu etwaigen Trassenvarianten sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Die DB Netz AG ist bei der Erarbeitung einer Vorzugsvariante rechtlich gehalten, alle mit Blick auf die verkehrlichen Ziele ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen hinsichtlich ihrer raumordnerischen Vorzugswürdigkeit sowie ihrer Eignung und möglichen Auswirkungen auf die Schutzgüter Mensch. Natur und Umwelt zu prüfen. In diesem Verfahren wird es auch eine umfassende Bürgerbeteiligung geben.“
Mithin ergeben sich die Anforderungen an die Trasse aus den Anforderungen an den Deutschlandtakt. Damit dürften nicht die exakten Festlegungen des Zielfahrplans 2030+ gemeint sein, sondern die Anforderungen hinsichtlich Kapazität, Höchstgeschwindigkeit und Anschlussbildung, die sich daraus ableiten. Aus dieser Ableitung ergibt sich, wie auf dieser Seite nachzulesen ist, ein gewisser Spielraum für die Zielfahrzeit zwischen Hannover und Bielefeld und daraus folgend auch für die Trassenführung.
Was enthält der Zielfahrplan wirklich?
Der 3. Entwurf des Zielfahrplans 2030+ enthält drei Fernverkehrslinien zweistündlich zwischen Hannover und Minden:
FV 34a Berlin – Amsterdam
FV 34b Berlin – Amsterdam
FR 39 Leipzig – Köln
Für FV 34 und FR ist die gleiche Fahrzeit im Wechsel und ein Halt in Minden vorgesehen. In der Stunde, in der FR 39 verkehrt, fährt FV 34 im Bockabstand hinter FR 39 und hält von Hannover bis Osnabrück nicht.
Deutungsmöglichkeiten der vorgelegten Zielfahrpläne
Der Zielfahrplan lässt damit zwei Deutungen zu:
- Die Neubaustrecke soll in einem Abschnitt im Bereich Stadthagen parallel zur Bestandsstrecke führen. Diese Variante wäre eine Vorfestlegung, die die Trassenführung extrem einengen würde (Abb. 1).
- Eine Verbindungsspange von der Neubaustrecke führt unter Umgehung von Wunstorf und Haste zur Bestandsstrecke zurück und ermöglicht die Fahrzeitverkürzung von 5 Minuten, während die eigentliche Neubaustrecke nicht zur Bestandsstrecke zurückführt. Diese Deutung würde auf eine aufwendigere zusätzliche Verbindungsspange hindeuten, die aber im Bereich Seelze und Wunstorf Konfliktpunkte entlastet und so insbesondere Kapazitäten für die S-Bahn Hannover frei machen kann (Abb. 2).
Abb. 1: Diese Deutung würde den Bürgerdialog über eine Trasse erheblich einschränken.
Abb. 2: Diese Deutung ist ebenfalls möglich. Auch so können die Anforderungen des Zielfahrplans 2030+ erfüllt werden. Damit wäre der Bürgerdialog nicht eingeengt. Erst der Verzicht auf die Spange würde die Fahrzeit der Intercity-Züge beim heutigen Stand belassen. Aber auch diese Fahrzeitverlängerung wäre kompensierbar. Mehr dazu hier.
Welche Deutung ist richtig?
Letztlich ist politisch zu beachten, dass der Deutsche Bundestag durch Gesetz über die Trassenführung entscheiden wird. Dies ist im Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz so bestimmt. Es ist davon auszugehen, dass der Deutsche Bundestag nur einer Trasse zustimmen wird, wenn diese unter allen Gesichtspunkten verkehrlich und ökologisch vertretbar ist. Nur dann ist zu erwarten, dass sich die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten auch gegen lokale Interessen der Region durchsetzen werden. Mehr zu diesem Gesetz hier.
Fazit
Eine Vorfestlegung ist daher auszuschließen.
Haben Sie Fragen, die hier nicht beantwortet werden?
Schreiben Sie an frage@neubaustrecke-bielefeld-hannover.de.